Frage an Reinhard Brandl von Peter H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Brandl,
Aus welcher Überzeugung haben Sie sich für die Aussetzung der Betäubung bei Ferkelkastrationen eingesetzt?
Sehr geehrter Herr H.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 19.12.2018. Sie sprechen darin die Frage der Ferkelkastration an.
Für die CSU im Bundestag wie auch für mich ist der Tierschutz als im Grundgesetz verankertes Staatsziel ein hohes Gut. Deshalb fiel uns die Entscheidung, die Übergangsfrist um weitere zwei Jahre zu verlängern, auch nicht leicht. Allerdings waren es gerade Gründe des Tierwohls, die uns dazu bewegten.
Warum hat sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD am 1. Oktober 2018 darauf geeinigt, die Übergangsfrist bis zum vollständigen Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre zu verlängern? Dies möchte ich Ihnen im Folgenden gerne erläutern: Männliche Ferkel werden kastriert, um den stark urinhaltigen Ebergeruch beim Fleisch mancher Tiere zu vermeiden. Nur so kann zudem das typische Verhalten von Ebern verhindert werden, welches zu erheblichen Verletzungen der Tiere untereinander führen kann. Das Tierschutzgesetz enthält für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen ein Betäubungsgebot, das bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt war. Danach wäre eine Ferkelkastration ohne Betäubung nicht mehr zulässig gewesen.
Welche Alternativen wären nun zur Verfügung gestanden? Es handelt sich derzeit um drei unterschiedliche Verfahren. Dies sind erstens die Durchführung des Eingriffs unter (Voll-)Narkose, zweitens die Impfung gegen Ebergeruch und drittens die Jungebermast. Alle drei Verfahren weisen Nachteile auf, die in den vergangenen fünf Jahren nicht ausgeräumt werden konnten.
Derzeit ist eine (Voll-)Narkose durch den Landwirt noch nicht möglich. Denn das dafür erforderliche Mittel namens Isofluran ist in Deutschland — anders als beispielsweise in der Schweiz — bisher noch nicht zugelassen. Und auch die entsprechende rechtliche Grundlage, damit ein Landwirt mittels Isofluran die Ferkel betäuben kann, ist derzeit noch nicht geschaffen. Lehrgänge für die Schulung der Landwirte und die notwendigen Narkosegeräte fehlen ebenfalls. Verbesserungsbedarf besteht auch bei der Verwendung, um die Anwender keinen gesundheitlichen Risiken auszusetzen.
Auch die Impfung bzw. die Ebermast stellen derzeit noch keine Alternativen dar. Denn bei beiden Methoden kommt es auch weiterhin zu Geruchsauffälligkeiten beim Schweinefleisch. Dieses Fleisch wird in Deutschland kaum gekauft. Der Lebensmitteleinzelhandel nimmt derzeit Eberfleisch und geimpfte Tiere nur in sehr geringen Mengen ab. Eine Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist damit derzeit unmöglich.
Was wäre die Folge? Gerade die kleinen Betriebe wären besonders betroffen. Denn diese müssten die erheblichen Mehrkosten gegenüber ihren ausländischen Nachbarn tragen. Diesen Konkurrenzkampf können die kleinen Betriebe nicht bestehen. Damit würde die Ferkelerzeugung ins Ausland abwandern, mit niedrigen Standards. Denn: Auf die Tierschutz-Standards im europäischen Ausland hat Deutschland keinen Einfluss, muss aber wegen des Europäischen Binnenmarkts die Einführung von Ferkeln aus anderen EU-Mitgliedstaaten dulden. Spanien, Polen, Dänemark und die Niederlande haben ihre Schweinebestände bereits aufgestockt und bieten ihre Tiere in Deutschland an.
Umfangreiche Tiertransporte von Ferkeln nach Deutschland wären die Folge. Dies wäre keinesfalls im Sinne des Staatsziels Tierschutz. Vielmehr würde mit millionenfachen Ferkeltransporten aus dem Ausland das genaue Gegenteil erreicht, wofür Sie sich einsetzen. Den Preis würden unsere Landwirte, die Tiere und wir alle als Verbraucher zahlen.
Meine Fraktion setzt daher gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BM EL) alles daran, tierschutzgerechte Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration zu forcieren. Auf diesem Weg brauchen die Tierhalter in Deutschland aber unsere Unterstützung. Deshalb soll den Landwirten ermöglicht werden, die Betäubung durchzuführen. Dafür müssen die Landwirte dann einen Nachweis erbringen, dass sie sachkundig mit dem Betäubungsgerät und dem Medikament umgehen können. Hierzu benötigen wir aber noch Zeit, die wir mit einer Verlängerung der Übergangsfrist um zwei Jahre gewinnen konnten.
Ohne die am 29. November 2018 im Bundestag beschlossene und vom Bundesrat am 14. Dezember 2018 bestätigte Übergangslösung stünden viele der kleinen und mittleren Betriebe in Deutschland vor dem Aus. Diesen Strukturbruch müssen wir verhindern —für die kleinen und mittleren Höfe, die ländlichen Regionen, die Verbraucher und den Tierschutz. Ein Aus der Ferkelerzeugung in Deutschland wäre eine Steilvorlage für die Produktion in Ländern mit niedrigeren Standards. Die vereinbarte Übergangsfrist verschafft den Betrieben jetzt Luft zum Atmen.
Klar ist aber auch: Alle Verantwortlichen müssen die nächsten beiden Jahre nutzen, um im Sinne des Tierwohls an praktikablen, wissenschaftlich fundierten und marktgängigen Alternativverfahren zu arbeiten. Hierfür müssen jetzt alle zuständigen Akteure eng zusammenwirken — ob in Politik, Wirtschaft, Verwaltung oder Wissenschaft. Dies ist sowohl im Sinne unseres Bekenntnisses zu einer zukunftsfähigen, flächendeckenden Landwirtschaft in Deutschland als auch im Sinne des Tierschutzes.
Sehr geehrter Herr H., ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte und wünsche Ihnen alles Gute!
Mit besten Grüßen
Ihr Reinhard Brandl