Frage an Reinhard Brandl von Stefan K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Brandl,
während sich in allen Umfragen 80% und mehr der Bevölkerung gegen deutsche Finanzhilfen für Griechenland aussprechen, scheint es bei den Parteien genau umgekehrt zu sein. Wie kann es sein, dass sich unsere Abgeordneten so massiv gegen den Willen der Wähler stellen?
Dies ist bereits bei der Einführung so gewesen, und eine Situation, wie wir sie jetzt haben wurde damals von den Befürwortern in Politik und Wirtschaft kategorisch ausgeschlossen.
Wurden wir also bereits zur Einführung des Euros von der Politik getäuscht - und passiert nicht dasselbe jetzt mit der Griechenlandhilfe?
Gilt das Volk als zu dumm oder soll es garkein Mitspracherecht in existeniellen Fragen haben? Wo bleibt die Einigkeit aller Parteien, die Volksabstimmungen ermöglichen würde?
Insofern hoffe ich, dass wenigstens einige Abgeordnete sich noch ihren Wählern und ihrem Gewissen verpflichtet fühlen und sich gegen ein Bailout (wie immer das auch kommende Woche genannt werden mag) Griechenlands aussprechen.
Mit besten Grüßen
Stefan Klee
Sehr geehrter Herr Klee,
vielen Dank für Ihre Frage vom 01. Mai 2010. Sie sprechen darin die Nothilfe für Griechenland an, der auch ich am 07. Mai 2010 im Deutschen Bundestag zugestimmt habe. Im Folgenden möchte ich Ihnen meine Entscheidung erläutern.
Griechenland befindet sich in einer finanziellen Krise, die zum einen im Zuge der allgemeinen Wirtschaftskrise entstanden ist, zum anderen aber auch nationale Ursachen hat. Aufgrund der engen wirtschaftspolitischen Verbindungen innerhalb der Europäischen Union würde ein möglicher Staatsbankrott Griechenlands aber erhebliche negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben. Dies wäre mit beträchtlich höheren Kosten für die deutsche Volkswirtschaft und den Bundeshaushalt verbunden als die jetzige direkte Hilfe für Griechenland, die der Deutsche Bundestag mit dem Finanzstabilitätsgesetz beschlossen hat. Meines Erachtens ist dies die richtige und konsequente Entscheidung, um den erreichten Wohlstand jedes Einzelnen in der Bundesrepublik zu sichern.
Der Kern des Finanzstabilitätsgesetzes beinhaltet Bürgschaften, damit die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) der griechischen Regierung gesicherte Kredite zur Verfügung stellen kann. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass Deutschland keine Geschenke an Griechenland macht und es sich bei den zugesagten maximal rund 22,4 Mrd. Euro in den nächsten drei Jahren nicht um Haushalts- oder Steuergelder handelt. Der Bundestag hat lediglich einer etwaigen Ausfallbürgschaft zugestimmt.
Griechenland leistet durch das vom griechischen Parlament am 06. Mai 2010 beschlossene Sanierungsprogramm einen bedeutenden Beitrag zur Lösung seiner Staatskrise. Die dadurch auftretenden Einschnitte werden die griechische Bevölkerung vor eine große Herausforderung stellen und setzen eine hohe Disziplin voraus. Griechenland hat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt und Reformen verweigert. Nun müssen die Griechen die versäumten Maßnahmen in kurzer Zeit nachholen. Hierbei ist die Verabschiedung des Sanierungsprogramms ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Ohne die stabilisierende Kraft der gemeinsamen europäischen Währung wäre der europäische Wirtschaftsraum weitaus weniger wettbewerbsfähig. Auch um diese Fähigkeit zu erhalten, wurde am 21. Mai 2010 der Euro-Rettungsschirm beschlossen.
Es darf allerdings keinesfalls zu einer Umgestaltung der Europäischen Union in eine Transferunion kommen. Vor diesem Hintergrund müssen wir jetzt die Vorsorge treffen, um in Zukunft eine Wiederholung der Krise zu verhindern. Dazu gehört unter anderem eine Neuausrichtung und Verschärfung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und die weltweite konsequente Umsetzung der Absichtserklärungen des G20-Gipfels zur Finanzmarktregulierung.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Brandl