Reiner Marz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Philipp R. •

Frage an Reiner Marz von Philipp R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Marz,

Ein viel diskutiertes Thema ist das der Atompolitik. Auch wenn ich Sie diese Frage schon einmal im Rahmen einer Diskussionsrunde gestellt habe, bin ich der Meinung, dass sie mir damals keine stichhaltige Antwort gegeben hatten. Ist es nicht eine Notwendigkeit das die Laufzeit, zumindest von einem Teil der Atomkraftwerke in Deutschland über das Jahr 2020 hinüber verlängert werden muss? Wir denken darüber nach die Atomkraftwerke stillzulegen, was im Übrigen auch mit hohen Kosten verbunden ist , und in anderen Ländern wie Finnland werden sie gebaut. Die Atomenergie hat an unserem "Energiemix" einen Anteil von 27,5%. Dieser Anteil wird sich in den nächsten Jahren auch nicht auf andere Energiegewinnungsverfahren verteilen lassen. Außerdem beeinflussen Atomkraftwerke die Umwelt nicht negativ, da sie keine Treibhausgase ausstoßen. Und wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass es mehr Argumente für die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken gibt, als dagegen. Alle Befürchtungen im Bezug auf ein Unglück, welches durch ein Atomkraftwerkt verursacht werden könnte, ist reine Spekulation und nichts als maßlose Übertreibung, da die deutschen Atomkraftwerke mitunter die sichersten weltweit sind. Vielleicht können sich mich aber mit Hilfe von schlagfertigen Gegenargumenten von ihrer Sichtweise überzeugen, sodass ich meine Meinung revidieren muss.

Mit freundlichen Grüßen

Philipp Rhein
Schüler

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Philipp Rhein,

Vielen Dank für Ihre Frage.

Verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken oder gar neue Atomkraftwerke schaffen keine Lösung für unser Energieproblem. Sie verhindern im Gegenteil Investitionen in moderne effiziente Kraftwerke sowie in eine wettbewerbsfähige und innovative Energieversorgung. Die wesentlichen Eckpunkte für eine zukunftsichernde Energieversorgung sind: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieeinsparung. Erneuerbare Energien produzieren nicht nur umweltfreundlichen Strom, sondern können mittelfristig auch einen erheblichen Teil des nationalen Wärme- und Kraftstoffbedarfs decken, also die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas und Öl direkt abmildern. Ihr Argument, dass Atomkraftwerke zum Klimaschutz beitragen würden, übersieht einen wesentlichen Aspekt: Wird auch die Förderung der Rohstoffe, der Transport, Bau und Unterhalt eines Atomkraftwerks, die Verteilung des Stroms und die erforderliche zusätzliche Wärmeerzeugung berücksichtigt, schneidet Atomenergie gegenüber anderen Formen der Energieerzeugung beim Klimaschutz oft schlechter ab.
Ihre Behauptung, alle Befürchtungen im Bezug auf ein Unglück, welches durch ein Atomkraftwerk verursacht werden könnte, seien reine Spekulation und nichts als maßlose Übertreibung, da die deutschen Atomkraftwerke mitunter die sichersten weltweit seien, halte ich für ziemlich vollmundig. Das Risiko eines schwerwiegenden Unfalls in einem Atomkraftwerk hat sich nicht verringert. Je älter die bestehenden Anlagen sind, umso störanfälliger werden sie auch. Darüber sollten Sie sich im Klaren sein, wenn sie eine Laufzeitverlängerung der Reaktoren fordern. Darüber hinaus sollten Sie nicht vergessen, dass die Nutzung der Atomtechnologie zur Stromproduktion und die Verbreitung von atomaren Waffen nicht voneinander zu trennen sind. Schon immer stand die „friedliche“ Nutzung der Atomenergie in unmittelbarem Zusammenhang zur atomaren Rüstung. Dies wird aktuell wieder durch das Beispiel Iran deutlich. Die weltweite Proliferation von Atomtechnologie wirft immer mehr Folgeprobleme und –kosten auf. So hat die bisher vergleichsweise begrenzte Verbreitung von atomarem Know-how nicht verhindert, dass ein atomarer Schwarzmarkt entstand, auf dem sich nicht nur Staaten, sondern auch terroristische Gruppen mit atomwaffenrelevanten Kenntnissen und Material versorgen können. Mehr und intensivere Kontrollen sind gut und wichtig, können aber das grundsätzliche Problem nicht in den Griff bekommen. Selbst eine denationalisierte, ausschließlich internationale Fertigung von Atomtechnologie, die ohnehin sehr unwahrscheinlich ist, würde noch Missbrauchsoptionen eröffnen. Auf nationaler Ebene bedeutet dies, konsequent am Ausstieg aus der Atomenergie festzuhalten. Es ist unglaubwürdig, international für atomare Beschränkung zu plädieren, wenn national mit der Aufweichung der Ausstiegsbeschlüsse gedroht wird.

Mit freundlichen Grüßen:

Reiner Marz