Frage an Reimer Böge von Karl-Heinz E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Böge,
unterstützen Sie das Votum und das Mandat zur Unabhängigkeit Kataloniens? Halten Sie die gewaltsame Verhinderung einer Stimmabgabe für ein demokratisches Mittel? Setzen Sie sich dafür ein, das das Europäischen Parlament eine Stellungnahme (wie zu Polen, Ungarn, ect.) zu den Ereignissen in Spanien abgibt?
Mit freundlichen Grüßen,
K. E.
Sehr geehrter Herr E.,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage vom 10.10.2017 auf die ich Ihnen gerne antworte.
Ich bin davon überzeugt, dass Herr Puigdemont mit seinem verfassungswidrigen Referendum und mit seinen mehrdeutigen Aussagen von letzter Woche für eine enorme Verwirrung gesorgt hat. Deshalb hat ihn Ministerpräsident Mariano Rajoy aufgefordert klarzustellen, ob er die Unabhängigkeit nun erklärt hat oder nicht. Insgesamt sollten sich alle Beteiligten aufgerufen fühlen jetzt besonnen zu reagieren und Signale der Deeskalation aussenden.
Beide Seiten – Barcelona und Madrid - müssen sich fragen lassen, wie es zu dieser Verschärfung der Lage kommen konnte. Die spanische Regierung hat inzwischen um Entschuldigung für den Polizeieinsatz am Tage des sogenannten Referendums gebeten. Das zeigt den Willen der Regierung in Madrid, zu deeskalieren. Klar ist: Die katalanische Regionalregierung hat ein verfassungswidriges Referendum durchgeführt - trotz eines Verbotes des spanischen Verfassungsgerichtes.
Hunderttausende Menschen sind in Barcelona auf die Straßen gegangen, um gegen die Abspaltung Kataloniens zu demonstrieren. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die katalanische Regierung verrannt hat. Spanien kann seine innere Spaltung nur im Dialog überwinden. Dieser Dialog kann aber nur im Rahmen der spanischen Verfassung stattfinden. In der Region meldet sich jedenfalls eine bis dahin schweigende Mehrheit zu Wort, die diese Politik der Eskalation nicht mehr mittragen will. Die Mehrheit der Katalanen will eine friedliche Verständigung im Rahmen des spanischen Staatenverbandes. Und in Madrid gibt es Bereitschaft, über die konkrete Ausgestaltung der katalanischen Autonomie zu reden, sofern die Pläne in Barcelona, sich von Spanien loszusagen, zu den Akten gelegt würden.
Die EU kann nur vermitteln, wenn es dafür ein Mandat gäbe. Die spanische Regierung lehnt dies aber ausdrücklich ab. Die Rufe aus Barcelona nach Vermittlung durch die EU laufen auf das Ergebnis hinaus, die Unabhängigkeit vorzubereiten. Das wäre für die EU nicht ungefährlich und muss bei den Überlegungen für eine mögliche Stellungnahme auf alle Fälle bedacht werden! Die verfassungswidrige Abspaltung eines Landesteils, wie Katalonien, könnte einen Präzedenzfall schaffen für andere Regionen in Europa: in Norditalien, auf Korsika oder in Flandern, aber auch in vielen Regionen Osteuropas mit vielfältigen Minderheiten. Die EU ist hinter den Kulissen aktiv, um stabilisierend zu wirken. Deswegen hat das EP in Straßburg bereits vorletzte Woche die Lage in Katalonien ausführlich diskutiert.
Durch eine, wie auch immer geartete (auf alle Fälle zu verhindernde) Unabhängigkeit würde Katalonien automatisch die EU verlassen, und damit den Binnenmarkt, die Zollunion und die Eurozone. So eine Politik würde nicht nur den Bruch mit Spanien, sondern mit der gesamten EU bedeuten.
Mit freundlichen Grüßen
Reimer Böge