Frage an Rebecca Harms von Johannes A. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Harms,
die EU ist verpflichtet, den CO2 Ausstoß bis 2020 um 20% zu verringern. Kraftwerksprojekte verhindern das Erreichen dieser Ziele. Allein in der Euroregion Ems-Dollart (EDR) planen die Unternehmen RWE, Nuon B.V., Berner Kraftwerke, Dong Energy und Advanced Power AG insgesamt fünf Kraftwerke. Besonders Klima gefährdend sind die geplanten Kohlekraftwerke bei Dörpen, Emden und Eemshaven. Die EDR ist im Begriff sich zu einer Modellregion für regenerative Energieerzeugung und nachhaltigen Tourismus im Sinne der Agenda 21 zu entwickeln. Diese Entwicklung ist existenziell abhängig von einer intakten Umwelt. Die Realisierung der Kraftwerksprojekte bedroht diese Grundlage massiv. Die für die Kohletransporte erforderliche Emsvertiefung gefährdet den Bestand der Inselsockel mit unkalkulierbaren Risiken für den Küstenschutz. Nicht umkehrbare Schäden für das Wattenmeer wären die Folge, die angestrebte Anerkennung als UNESCO Weltkulturerbe unmöglich.
Kann es die EU zulassen, dass den ökonomischen Interessen einiger Energiekonzerne eine ganze Region geopfert wird? Ist es gegenüber nachfolgenden Generationen verantwortbar, Energie zu erzeugen, die mit astronomischen Folgekosten für Küsten- und Klimaschutz verbunden ist? Gibt es keine EU einheitlichen Auflagen zur Errichtung von Kohlekraftwerken? Wie wollen Sie die Bürger der Regionen für die EU Idee gewinnen, wenn EU die Vernichtung ihrer Ressourcen bedeutet?
Ich appelliere an Sie, sich für eine tragfähige Zukunft der Ems-Dollart-Region einzusetzen und die Pläne der Kraftwerksbetreiber zu stoppen. Sie entscheiden mit, ob wir uns zu einer modellhaften Umweltregion weiterentwickeln oder ob wir zu einer Energiemüllhalde entwickelt werden. Steuern wir auf ein Europa der Bürgerinnen und Bürger oder auf ein Europa der Lobbyisten zu? Bei der Europawahl im Juni 2009 werde ich, wie sicher einige Wählerinnen der EDR auch, meine Wahlentscheidung von Ihrer Stellungnahme zur Energiefrage abhängig machen.
MfG
J. Akkermann
Sehr geehrter Herr Akkermann,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie bin ich der Meinung, dass auch neue Kohlekraftwerke wegen ihres hohen CO2-Ausstoßes jede wirkungsvolle Klimaschutzstrategie zunichte machen.
Deswegen habe ich zusammen mit meinen grünen Kollegen in Brüssel Emissionsgrenzen für neue Kraftwerke gefordert, mich für die 100%ige Versteigerung der Emissionszertifikate für die Energiewirtschaft ab 2013 stark gemacht und jeder Form von Vergünstigung für Kohlekraftwerke im Rahmen des Emissionshandels eine Absage erteilt.
Im Dezember vergangenen Jahres hat sich das Europäische Parlament in seiner Abstimmung über die Richtlinie zur Abtrennung und geologischen Speicherung von CO2 für einen CO2-Emissionsstandard von 500 g CO2/kWh ab 2015 ausgesprochen. Wir Grünen wären bei der Festlegung des Emissionsstandards gerne sogar noch etwas ambitionierter gewesen. Dies würde ein Bauverbot für konventionelle Kohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Kopplung ab 2015 bedeuten. Nach den Verhandlungen mit dem Rat ist von dieser Forderung jedoch nicht mehr viel übrig geblieben. Im Endergebnis ist nun lediglich davon die Rede, dass neue Kraftwerke ´capture ready´ sein müssen. Das bedeutet zunächst nicht viel mehr als dass bei der Planung eines neuen Kohlekraftwerks jener Platz mit eingeplant werden muss, den man bei der eventuellen Nachrüstung mit der CCS Technik brauchen würde.
So etwas passiert eben manchmal auf der Brüssler Ebene der Gewaltenteilung - am Ende setzen sich oft die Regierungen der Mitgliedstaaten, die nicht selten als verlängerter Arm der heimischen Industrie agieren gegen die Forderungen von Kommission und EU-Parlament durch. Besonders die deutsche Regierung hat in den Verhandlungen um das sogenannte Klimapaket im letzten Jahr mit harten Bandagen für die Interessen der heimischen Energieriesen gekämpft.
Ich werde mich auch in der nächsten Legislaturperiode als Europaabgeordnete für eine zukunftsfähige, klimafreundliche und nachhaltige Energieversorgung in der EU einsetzen, die auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbaren beruht. Ich werde auch weiter gegen die mächtige Lobby der großen europäischen Energieversorger kämpfen.
Im März ist Vattenfall von seinen Plänen abgerückt, in Berlin ein neues Steinkohlekraftwerk zu bauen. Zu groß war wohl die politische Allianz in der Stadt gegen das Projekt, zu laut der Protest der Anrainer. Oder war es letztendlich doch ökonomisches Kalkül, dass den Konzern von seinen Plänen abrücken ließ? Wie auch immer – diese Entscheidung kann hoffentlich auch Ihnen Mut machen.
Mit besten Grüßen
Rebecca Harms