Frage an Rasmus Andresen von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Andresen,
das ist schön, wenn man einmal eine direkte Frage stellen kann, denn vielmals ist es schwer, zu den wesentlichsten Themen Fragen zu stellen.
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Politikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?
Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen innerhalb der Ost-Westbeziehungen.
Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.
Begleitgedanken zu den Fragen an die Verantwortlichen:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Poli-tikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichtigen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangspunkt starten zu können??
Warum haben die alten warnenden Sätze, „nie wieder Krieg“, ihre einstige Greifbarkeit verloren?
Wie gefährlich sind die ablenkenden Gesellschafts-Diskussionen?
In Hochachtung
E. Reinbold
Sehr geehrter Herr Reinbold,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht auf jede Ihrer Teilfragen in Tiefe eingehen kann. Lassen Sie mich jedoch ein paar Anmerkungen machen.
Das alte Motto „nie wieder Krieg“ hat für uns Grüne bis heute nicht an Gültigkeit verloren, im Gegenteil: Wir setzen uns für Abrüstung ein sowie eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Das „Zwei-Prozent-Ziel“ der NATO und die damit einhergehenden milliardenschweren Erhöhungen im Verteidigungshaushalt lehnen wir ab. Wir wollen mehr Mittel für Krisenprävention bereitstellen und darüber hinaus die international vereinbarten 0,7% unserer Wirtschaftsleistung für die globale Entwicklung dauerhaft zur Verfügung stellen. Es geht uns Grünen also nicht ausschließlich um militärische Deeskalation, sondern ebenso um zivile Krisenprävention, um kriegerischen Konflikten den Nährboden zu entziehen.
Gleichzeitig setzen wir uns für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik ein, um Zivilgesellschaften weltweit zu stärken, denn Menschenrechte - und das schließt etwa die Rechte von Frauen, ethnischen Minderheiten und queeren Personen mit ein - sind universell. Grüne Außenpolitik orientiert sich konsequent an den Menschenrechten (s. UN-Charta), denn nur so kann der häufig und zu recht vorgebrachte Vorwurf der doppelten Standards des sog. „Westens“ entkräftet werden. Die Modellvorschläge des französischen Präsidenten Macron bezüglich einer „strategischen Autonomie“ Europas halten wir für sehr interessant.
Gerade im Bezug auf die Rechte ethnischer und sexueller Minderheiten bereiten uns von Ihnen genannten Akteure, Russland und China, große Sorge. Unilateral, etwa über Wirtschaftssanktionen gegen diese Weltmächte oder einzelne Akteure anzugehen, betrachten wir kurzfristig als zielgenaue und angemessene Maßnahme, um zu signalisieren, dass beispielsweise die Verletzung von Menschenrechten nicht folgenlos bleibt. Gegensanktionen bleiben hierbei nicht aus; wir nehmen diese in Kauf. Selbst wenn sich hieraus ein wirtschaftliches oder gar militärisches Wettrüsten ergibt, geschieht dieses stets parallel zur Verschlechterung der Menschenrechtssituation im jeweiligen Land. Einer seit führt uns Politik, die kurzfristig solche Entwicklungen hervorbringt, langfristig in eine weltpolitische Sackgasse. Auf die Menschenrechtsverletzungen Russlands und Chinas nicht zu reagieren, wäre andererseits jedoch ignorant.
Die Lösung sehen wir Grünen daher in einem gestärkten Multilateralismus. Nicht nur braucht es innerhalb der EU eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, getragen durch Abstimmungsentscheidungen mit qualifizierter Mehrheit; die internationale Gemeinschaft muss ebenso die Vereinten Nationen (UN) stärken. Deshalb fordern wir, dass auch die UNGeneralversammlung das Recht beansprucht, anstelle des UN-Sicherheitsrates friedenserzwingende Maßnahmen zu veranlassen, sofern der Sicherheitsrat durch eines oder mehrere seiner ständigen Mitglieder blockiert wird. Dies schließt militärische Interventionen, um eine ethnische Gruppe vor dem Völkermord durch eine andere ethnische Gruppe zu bewahren, ausdrücklich mit ein, jedoch ebenso das entsenden von UN-Friedenstruppen in länger bestehende Krisengebiete. Langfristig fordern wir eine Reformierung des UN-Sicherheitsrats, sodass alle großen Mächte und Weltregionen angemessen repräsentiert sind; dies würde beispielsweise permanente Sitze für Brasilien, Indien und einen gemeinsamen Sitz für die EU bedeuten.
Kurz und knapp fordern wir, dass Deutschland gemeinsam mit Frankreich seinem außenpolitischen Führungsanspruch in Europa gerecht wird und Europa mehr Verantwortung für die Gestaltung einer friedlichen und kooperativen Weltordnung übernimmt. Die Welt wird, Sie haben selbst drauf hingewiesen, nur durch Beziehungspflege und internationale Zusammenarbeit sicherer werden.
Mit freundlichen Grüßen aus Flensburg
Rasmus Andresen