Preisexplosion bei Gas und Öl bei zeitgleichem Kohle- und Atomausstieg und Rentenlücke: Was halten Sie von staatseigener Schiefergas- und -ölförderung ähnlich dem norwegischen Modell?
Gemeint ist ein 100%ig in öffentlicher Hand stehendes Unternehmen, dessen Gewinne in einen staatlichen Pensionsfonds einfließen würden (und zudem noch für den Ausbau der Erneuerbaren Energien verwendet werden könnten).
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Mit dem Vorschlag, dass sich der Staat im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher als Akteur im Energiemarkt beteiligen sollte, rennen Sie bei uns offene Türen ein. Wir fordern eine Vergesellschaftung des Energiesystems, insbesondere Strom- und Gasnetze und Großspeicher sollten der Gesellschaft gehören. Allerdings wäre meiner Auffassung nach die Wahl des Energieträgers eine andere. Weder Erdöl noch Erdgas haben im Lichte des Klimawandels eine Zukunft. Darüber hinaus verfügt Deutschland einfach nicht über ausreichende Ressourcen, die einen Einstieg des Staates in die Öl- und Gasförderung rechtfertigen würden. Die Ölförderung in Deutschland beträgt nur etwas mehr als zwei Prozent des Bedarfs. Der Erdgasverbrauch in Deutschland betrug im Jahr 2020 etwa 86,5 Mrd. Kubikmeter. Das bedeutet, dass die konventionellen Erdgas-Ressourcen Deutschlands (ca. 150 Mrd. Kubikmeter) gerade einmal den Bedarf von zwei Jahren decken würden, die Schiefergas-Vorkommen ungefähr den von sieben Jahren (etwa 700 Mrd. Kubikmeter technisch förderbar). Die Kosten der Schiefergasförderung durch Fracking stehen aber in keinem Verhältnis zum Nutzen und mit Betrachtung der Risiken und ökologischen Folgen kann man aus meiner Sicht heraus den Aufbau einer zusätzlichen Öl- und Gasförderung in Deutschland nur ablehnen.
Die Förderkosten von Schiefergas in Deutschland wurden durch das Energiewirtschaftliche Institut der Uni Köln vor einigen Jahren auf 8 bis 10 Dollar je MBTU (MBtu = 1.000 British thermal unit; entspricht etwa 26,4 Kubikmeter Gas) beziffert, der Gaspreis liegt aber meistens deutlich unter diesem Wert. Selbst wenn man alle ökologischen Bedenken und alle Risiken, die Fracking mit sich bringt, und auch alle klimapolitischen Zielvorgaben außer Acht ließe, stünde hier doch rein rechnerisch volkswirtschaftlich der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Schiefergas aus Deutschland, finanziert durch öffentliche Haushalte, würde die Kosten für die Gesamtgesellschaft noch mehr erhöhen, als es derzeitige Gaspreise tun.
Das norwegische Modell staatlicher Beteiligungen ist darüber hinaus aber durchaus attraktiv. In einem kleinen Rahmen haben wir etwas Ähnliches. Die kommunalen Stadtwerke als Energieerzeuger und Energielieferant sind meistens mehrheitlich in kommunalem Besitz. Das heißt, dass die Gewinne dort in die Kommunalhaushalte zurückfließen. DIE LINKE kämpft deshalb seit jeher für die Stärkung kommunalen Eigentums und öffentlich-rechtlicher Beteiligungsformen. Einem staatlichen Unternehmen, das sich am Energiemarkt mit Erneuerbaren Energien beteiligt und dann, statt Gewinne zurückzulegen, diese besser in die Startchancen für die nachfolgenden Generationen einsetzt, indem man das Geld in beste Bildung und in die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur und in Klimaschutz investiert, würde ich den Vorzug geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Lenkert