Frage an Ralph Brinkhaus von Eva-Maria und Hans D. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Brinkhaus,
bei all den Feierlichkeiten, die es bisher zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes gab, wurde jedoch vergessen, dass es in ganz wesentlichen Teilen noch nicht umgesetzt wurde. So gibt es zum Beispiel noch immer keine unabhängige Justiz. Der Richter Norbert Schlepp hatte dazu vor Jahren schon einen lesenswerten Aufsatz geschrieben ( http://www.dominik-storr.de/00-downloads/2008-zfdd-1-unabhaengige-justiz.pdf ). Und nun hat der EuGH Ende Mai aufgrund dieser Tatsache geurteilt, dass deutsche Staatsanwälte keinen europäischen Haftbefehl ausstellen dürfen ( https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/nach-eugh-urteil-drb-fuer-abschaffung-der-weisungsbefugnis-der-justizminister-an-staatsanwaelte ).
Wer jedoch bisher in diesem Staat auf die fehlende Unabhängigkeit hingewiesen hatte, der wurde schnell, wie Sie wissen, mit dem Vorwurf diffamiert, einer Verschwörungstheorie anzuhängen.
Der DRB-Vorsitzende, Herr Gnisa, nahm im Übrigen das EuGH-Urteil zum Anlass, die "jahrelange Blockadehaltung der Politik" zu beklagen und fordert deshalb "die Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister im Einzelfall an Staatsanwälte". Außerdem sagte er: "Es sollte für Deutschland zum Selbstverständnis gehören, europäische Justizstandards einzuhalten."
Unsere Fragen: Warum hat die CDU bisher noch keine Initiative ergriffen, das Grundgesetz auch in diesem Punkt umzusetzen? Und wann wird sie sich endlich dafür einsetzen?
Für die Beantwortung unserer Fragen bedanken wir uns im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
E. u. H. D.
Sehr geehrte Frau und Herr D.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch vom 17. Juni.
Lassen Sie mich vorab kurz bemerken, dass die Justiz in Deutschland durchaus unabhängig ist. Das Grundgesetz garantiert Richterinnen und Richtern sowie Mitgliedern des Bundesrechnungshofs völlige Weisungsfreiheit und damit die entsprechende Unabhängigkeit.
Sie sprechen jedoch das Weisungsrecht für Staatsanwälte an. Die Staatsanwaltschaften und ihre Beamten sind zwar eigenständige Organe der Rechtspflege, nicht aber Teil der rechtsprechenden Gewalt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, indem es trotz der Eingliederung der Staatsanwaltschaft in die Justiz die Zugehörigkeit der Staatsanwaltschaft zur Exekutive betont hat (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001, 2 BvR 1444/00, Absatz Nummer 49).
Die Frage, wie und auf welche Weise das Verhältnis zwischen parlamentarischer und ministerieller Verantwortung auf der einen und der Gewährleistung einer unabhängigen Justiz auf der anderen Seite ausgestaltet und welche Rolle die Staatsanwaltschaften im Gewaltenteilungssystem einnehmen sollen, wird fortwährend diskutiert. Die Bundesregierung verfolgt bereits entsprechende Arbeits- und Diskussionsprozesse wie auch sonstige Beiträge zum Thema des ministeriellen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften. Und auch bei uns in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist dieses Thema fortwährend aktuell und es wird umfassend diskutiert.
Bisher wird jedoch die komplette Abschaffung des Weisungsrechts von unseren Rechtspolitikern durchaus kritisch gesehen. Das Weisungsrecht unterliegt heute bereits Grenzen, die sich wiederum aus dem Legalitätsprinzip (§ 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung – StPO) und aus der Bindung an Gesetz und Recht (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes – GG) ergeben. Soweit das Gesetz keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zulässt, kommt die Ausübung des Weisungsrechts somit von Vornherein nicht in Betracht. Aber auch sonst darf das Weisungsrecht nicht von rechts- oder sachwidrigen Erwägungen geleitet sein.
Insofern bitte ich um Verständnis, dass die Diskussion noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich gesetzliche Änderungen anbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Brinkhaus