Frage an Ralph Brinkhaus von Jörn S. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Brinkhaus,
die CDU/CSU und Ihre Fraktionen lehnen in weiten Teilen eine CO2-Steuer ab und befürworten das vermeindlich marktwirtschaftliche Element des Zertifikat-Handels, bzw. lehnen eine CO2-Bepreisung komplett ab.
Bereits die Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" hat in Ihrem Schlussbericht (31.10.1990), sogar unter dem Vorsitz Ihres Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (CDU), vor nunmehr knapp 30 Jahren schon eine CO2-Steuer als befürwortenswertes Instrument zum Schutz der Erdatmosphäre der damaligen Bundesregierung vorgeschlagen (siehe Schlussbericht der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmophäre", Seite 345ff; https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/12/086/1208600.pdf).
Was veranlasst viele Abgeordnete der CDU/CSU von den damaligen Einschätzungen, welche heute mehrheitlich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestützt wird, abzurücken?
Wie ist Ihre Einstellung zu einer CO2-Steuer (Ausgestaltung hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit unterstellt)?
Setzen Sie sich als Fraktionsvorsitzender der CDU für eine geschlossene Haltung Ihrer Fraktion zu Gunsten einer CO2-Steuer ein?
Die Einführung eines Zertifikat-Handels hat sich in der Vergangenheit als wenig geeignet erwiesen und würde sich im Falle der Ausweitung auf alle CO2-Emittenten nur als Maßnahme eignen, welche erst mit erheblicher Verzögerung Steuerungseffekte erreichen würde. Warum weichen viele Abgeordnete der CDU/CSU von einem Konsenz ab, welcher vor knapp 30 Jahren bereits auch unter CDU/CSU Mitwirkung erzielt wurde?
Ich danke Ihnen für eine Antwort.
Sehr geehrter Herr Saß,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch vom 3. Juni 2019.
Zunächst erlaube ich mir den Hinweis, dass die Empfehlungen einer (fraktionsübergreifenden) Enquete-Kommission keinerlei bindende Wirkung haben und auch nicht mit einem Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gleichgesetzt werden können. Des Weiteren kommen in dem von Ihnen zitierten Schlussbericht auch die kritischen Stimmen einer ökologischen Steuerreform zu Wort (siehe z.B. Seite 349). Vor diesem Hintergrund finde ich es schwierig, wenn Sie von einem „abrücken“ sprechen.
Wie Sie vielleicht wissen, hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 1999 den Vorschlag einer ökologischen Steuerreform aufgegriffen und umgesetzt. Dabei hat sich gezeigt, dass die damalige Reform keinerlei Lenkungswirkung entwickelte und bedauerlicherweise nur unwesentlich zur Reduktion der deutschen Treibhausgase beigetragen hat.
Bei der Debatte um eine CO2-Bepreisung werbe ich für eine offene Diskussion ohne Denkverbote. Entsprechend prüfen auch wir als Unionsfraktion derzeit
alle Vor- und Nachteile der verschiedenen Bepreisungsmodelle. Die zwei wichtigsten sind dabei zum einen die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels auf die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft, zum anderen eine CO2-Steuer oder -Abgabe.
Da es sich hierbei um sehr komplexe Sachverhalte handelt, die strukturelle Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben werden, benötigen wir dazu Zeit. Schnellschüsse sind bei einem so gravierenden Eingriff nicht ratsam.
Zusätzlich setzen wir uns für die Überarbeitung der bestehenden Steuern und Abgaben ein, um Bürgern und Unternehmen Anreize für Emissionsreduktionen zu schaffen.
Ihre Einschätzung, dass der Europäische Emissionshandel (ETS) nur zu geringen Erfolgen geführt hat, teile ich nicht. Das Gegenteil ist der Fall, wie das nachfolgende Beispiel zeigt: Ursprünglich sollten die Treibhausgasemissionen in den ETS-Sektoren (Energie und Industrie sowie innereuropäischer Flugverkehr) bis 2020 um 21 Prozent gesenkt werden, dieses Ziel wurde bereits 2015 mit einem Minus von rund 22 Prozent erreicht.
Die politische Herausforderung liegt aber darin, die Anzahl der im Umlauf befindlichen Emissionsberechtigungen (Zertifikate) effektiv zu steuern. Mit der letzten Reform des ETS ist 2018 hierfür eine Lösung gefunden worden. Richtig ist, dass eine Ausweitung auf andere Sektoren auf europäischer Ebene schwierige Verhandlungen mit sich brächte. Allerdings könnten sich auch in einem ersten Schritt ebenfalls ambitionierte Partner wie Frankreich, die Niederlande oder Schweden mit Deutschland zusammenschließen, um in der Sache voranzukommen.
Sehr geehrter Herr Saß, ich danke Ihnen für Ihr Interesse.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Brinkhaus