Frage an Ralph Brinkhaus von Heiner H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Brinkhaus,
im Hinblick auf die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses am 8.11.2010 zur Petition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens möchte ich Sie im Namen der Grundrechtsschutz-Initiative darauf aufmerksam machen, dass eine bedingungslose Grundsicherung für alle Bürger längst durch das Grundgesetz geboten und damit überfällig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes abgeleitet. So heißt es beispielsweise in dem Hartz IV-Regelsatz-Urteil vom 9.2.2010 (unter Rnn 133, 136, 137):
"Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern." "Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG." "Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt."
Dieser Verpflichtung kommt der Staat nur nach, wenn er das menschenwürdige Existenzminimum jedem Einzelnen bedingungslos sichert. Die derzeitige Regierungspraxis in Bezug auf die Erwerbslosen, die den Anspruch auf staatliche Unterstützung an die Voraussetzung der Unterwerfung unter die Vorstellungen der Arbeitsmarktverwaltung bindet, stellt einen Hohn gegenüber dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dar.
Ein Menschenrecht, das unter Bedingungen steht, ist kein Menschenrecht. Werden Sie sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
H.E. Holzapfel
Sehr geehrter Herr Holzapfel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Wir als CDU mit unserem christlichen Menschenbild und unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität stehen für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wenn wir in Deutschland die Krise überwinden und daran wachsen wollen, brauchen wir dafür jeden und jede in unserem Land.
Natürlich darf sich der Reichtum eines Landes nicht nur an wirtschaftlichen Daten messen, sondern muss sich an den Menschen orientieren. Hierbei wollen wir vor allem auch jene in den Blick nehmen, die es besonders schwer haben und wir wollen allen Chancen bieten. Wir setzen dabei auf nachhaltiges Wachstum: Durch das verabschiedete Haushaltsbegleitgesetz haben wir als Regierungskoalition die Neuverschuldung des Staates begrenzt, dies ist nicht nur für die nachfolgenden Generationen wichtig, denen wir keinen unermesslichen Schuldenberg überlassen dürfen, sondern für uns alle.
Unser erklärtes Ziel ist "Arbeit für Alle", das wir nur gemeinsam erreichen können. Die deutsche Industrie, der Mittelstand, das Handwerk und die Freien Berufe, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, Besitzer von Arbeitsplätzen und Arbeitslose - alle in unserer Gesellschaft müssen ihren Beitrag leisten, damit Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.
Natürlich sind wir auch hier einer sozialen Politik verpflichtet, die die Lebenschancen der Menschen und das Miteinander in der Gesellschaft verbessert. Aber eine lediglich auf finanzieller Zuwendung beruhende Vorstellung von Sicherheit und Solidarität lehnen wir ab. Nur eine Kombination aus Eigenverantwortung, staatlichen Leistungen und bürgerschaftlichem Engagement kann die Sicherheit schaffen, die die Menschen brauchen. Ein "Garantiertes Grundeinkommen" ist daher auch für mich keine Frage des regierungspolitischen Handelns.
Ich persönlich lehne ein bedingungsloses Grundeinkommen aber auch aus Gerechtigkeitsgründen ab. Ich sehe es nicht ein, dass Menschen, die arbeiten, für andere Menschen, die nicht arbeiten wollen, aufkommen. Zu Ehrlichkeit in der Diskussion über soziale Unterschiede gehört meines Erachtens auch, sehr wohl zu differenzieren: zwischen den Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen unverschuldet in eine Problemsituation geraten sind und den Menschen, die nicht bereit sind Verantwortung für Ihren Lebensunterhalt zu übernehmen.
Deswegen bleibe ich dabei - staatliche Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes müssen immer die wohl begründete Ausnahme sein und dürfen nicht die einklagbare Regel werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Brinkhaus, MdB