Frage an Ralf Stegner von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Dr. Stegner,
es geht um den Teilnahmezwang am Schulunterricht mit der Bundeswehr im Klassenzimmer.
Unter
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/0400/drucksache-17-0455.pdf
ist nachlesbar:
Die SPD-Fraktion hat bereits Ende März 2010 einen Antrag in den Schleswig-Holsteinischen Landtag eingebracht, um die Zusammenarbeit von Schulen und Bundeswehr in Schleswig-Holstein durch einen Erlass verbindlich zu regeln (Drucksache 17/455).
Gefordert wird darin explizit "[…] auch die verbindliche Vorabinformation der Eltern, dass solche Veranstaltungen geplant sind und welchen Inhalt sie haben sollen, sowie das Recht der Eltern, der Teilnahme ihrer Kinder daran zu widersprechen; in einem solchen Fall werden die betreffenden Schülerinnen und Schüler von der Teilnahme daran freigestellt und in anderer Form unterrichtet".
Wird die SPD nach Übernahme der Regierungsverantwortung dafür sorgen, daß diese Forderungen erfüllt werden?
Zum SPD-Antrag: Der zusätzliche Verwaltungsaufwand beim Widerspruch kann für alle Beteiligten
mit folgender Regelung verringert werden: Wenn die Eltern auf der schriftlichen Vorabinformation NICHT innerhalb einer kurzen Frist durch Ankreuzen ihre Zustimmung zur Teilnahme ihrer Kinder
erklären, gilt dies als Widerspruch und werden die Kinder in anderer Form unterrichtet.
Wie beurteilen Sie diese Anregung?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
danke für Ihre Anfrage über Abgeordneten-Watch. Sie sind ja Dank Ihres regelmäßigen Telefonkontaktes zu unserer Fraktion über die öffentlichen Auseinandersetzungen um die Einbeziehung der Bundeswehr in den Unterricht aufs Beste informiert.
Wir hatten unter dem Eindruck der öffentlichen Berichterstattung den von Ihnen zitierten Antrag in den Landtag eingebracht. Dieser Antrag war von der Parlamentsmehrheit in der Plenarsitzung vom 19.05.2010 abgelehnt worden. Stattdessen wurde ein Antrag von CDU und FDP angenommen (Drucksache 17/551). Dieser Antrag stellte die Einbeziehung der Bundeswehr in den Unterricht allein in das Ermessen der Schulen, nahm also nicht unser Anliegen auf, klare Richtlinien für diese Zusammenarbeit zu schaffen.
Das Problem ist keineswegs vom Tisch, zumal die Bundeswehr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht ihre Bemühungen verstärkt hat, sich in Zusammenarbeit mit den Schulen zu präsentieren und auf die Arbeits- und Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr aufmerksam zu machen.
Mein Fraktionskollege Martin Habersaat hatte deshalb am 02.05.2011 eine erneute Kleine Anfrage eingebracht. Die Landesregierung verwies in der Antwort auf diese Anfrage auf eine Bekanntmachung an die Schulen vom 13.03.2011, die es weiterhin ins Ermessen der zuständigen Lehrkraft stellt, ob bei Besuchen der Klasse in Einrichtungen der Bundeswehr Vorstellungen von so genannten „Schießkinos“ pädagogisch vertretbar sind. Diese Bekanntmachung verpflichtet die Schulen zur vorherigen Information der Eltern minderjähriger Schüler über einen geplanten Truppenbesuch. Wir halten diesen Erlass für unzureichend, weil er weder für die Eltern noch für volljährige Schüler die Möglichkeit einer Nichtteilnahme klar regelt.
Selbstverständlich ist die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an unterrichtlichen Veranstaltungen der Schule, die im Sinne des Projektes „Lernen am anderen Ort“ auch außerhalb der Schule stattfinden können, zunächst eine Selbstverständlichkeit. Das ergibt sich aus der pädagogischen Verantwortung der Schule im Zusammenhang mit der allgemeinen Schulpflicht. Ihre Anregung, statt einer individuellen Befreiung von einer solchen Veranstaltung eine ausdrückliche individuelle Anmeldung vorzusehen, ist mit den allgemeinen Grundsätzen des Schulrechtes nicht vereinbar. Wir werden aber in der nächsten Legislaturperiode - entsprechende politische Mehrheiten vorausgesetzt - sehr bald erneut prüfen, wie wir zu einer Erlasslage gelangen, die sowohl für die Lehrerinnen und Lehrer als auch für die Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern eine klare Rechtslage schafft und auch die Möglichkeit beinhaltet, an Veranstaltungen der Schule in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr nicht teilzunehmen.
Lassen Sie mich abschließend aber auch sagen, dass die Auseinandersetzung mit allen Institutionen des demokratischen Rechtsstaates, zu denen auch die Bundeswehr gehört, ein wichtiges staatsbürgerliches Bildungsziel sein muss. Dazu bedarf es einer offenen und transparenten, aber auch kontroversen Darstellung, zu der nicht nur die Berufs- und Karrierechancen bei der Armee, sondern auch die Risiken gehören, die mit der Umwandlung der Bundeswehr in eine weltweit operierende Interventionsarmee verbunden sind.
Einen genauen Zeitplan dafür kann ich Ihnen heute natürlich noch nicht
mitteilen.
Ich hoffe, Ihre Frage hinreichend beantwortet zu haben und verbleibe
mit den besten Grüßen
Dr. Ralf Stegner