Frage an Ralf-Peter Hässelbarth von Gerhard S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hässelbarth,
Seit 2011 herrscht in Syrien Krieg. Was als Kritik am Assad-Regime begann, ist in bürgerkriegsähnliche Zustände, später infolge ausländischer Einmischung von unterschiedlichen Seiten und mit unterschiedlichen Mitteln in einen offenen Krieg ausgeartet. Nun wurden chemische Kampfmittel, also Massenvernichtungswaffen eingesetzt. Von wem, ist bisher unklar. Aber kaum wurde der Kampfmitteleinsatz bekannt, gab es sofort und übereinstimmend mediale Schuldzuweisungen und die Forderung nach militärischem Eingreifen gegen das Assad-Regime.
Halten auch Sie die syrische militärische Führung für so dumm, dass sie ausgerechnet zum Zeitpunkt ihrer militärischen Überlegene und der Tätigkeit einer UNO-Inspektion Massenvernichtungswaffen gegen das eigene Volk einsetzt?
Das militärische Eingreifen einer fremden Macht hätte zweifellos den Mord an zahlreichen Zivilisten, die sinnlose Zerstörung syrischer Kulturgüter und die moralische Unterstützung der unterschiedlichen Gruppierungen der Aufständischen zur Folge, würde aber keineswegs zur Lösung der syrischen Probleme beitragen.
Sind Sie anderer Meinung?
Werden Sie sich im Bundestag dafür einsetzen, dass
- die deutschen Fla-Raketentruppen in der Türkei unverzüglich in die Heimatstandorte zurückgezogen und die im Mittelmeer operierenden deutschen Kriegsschiffe in heimatliche Gewässer zurückgeführt werden?
- dass die deutschen Exporte von Waffen, Munition und anderen Rüstungsgütern endlich verboten und unter harte Strafen gestellt werden und die betroffenen Arbeiter einer friedlichen Produktion zugeführt werden?
- dass alle fremden Truppen und ihre technischen und logistischen Mittel, insbesondere die US-Atomwaffen, endlich vom deutschen Boden abgezogen werden?
Ich danke Ihnen im voraus für die Beantwortung meiner Fragen.
Sehr geehrter Herr Scholz,
vielen Dank für Ihre Frage in und zu einer Situation, die uns alle sehr bewegt.
In Syrien hat maßgeblich die Regierung unter Assad die Entscheidung für einen Krieg gegen die eigene Zivilbevölkerung getroffen, als sie die anfangs friedlichen Protestbewegungen mit militärischen Mitteln bekämpfen ließ. Dieser Krieg gegen die eigene Bevölkerung hat bereits viel zu viele Opfer gekostet. Sie werden mir darin zustimmen, dass dieses Morden schnell beendet werden muss! Wie das erreicht werden kann, darüber gibt es in der internationalen Gemeinschaft unterschiedliche Vorstellungen. Meine Position und die meiner Partei dazu ist folgende:
Ich bin gegen eine militärische Intervention zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Dafür ist ein Mandat des Sicherheitsrats nach der gegenwärtigen Verfasstheit der UN die Voraussetzung. Allerdings kann ein Nichthandeln aufgrund einer Blockade der Sicherheitsratsresolution das Völkerrecht und die Vereinten Nationen ebenso massiv beschädigen wie das Eingreifen ohne ein Mandat. Zur Auflösung solcher Dilemmata wäre es ein möglicher Weg, eine Problemlösung und Legitimation über die Generalversammlung der UN zu suchen, wie es auch Brasilien vorgeschlagen hat. Die Generalversammlung sollte das Recht beanspruchen, nach dem Vorbild der „Uniting For Peace“-Resolution 377 von 1950 mit qualifizierter Mehrheit den Sicherheitsrat für blockiert zu erklären und an seiner Stelle friedenserzwingende Maßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta zu beschließen. Die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Regionalorganisationen soll dabei angestrebt werden. Die Stärkung des Völkerrechts hängt dabei entscheidend davon ab, dass in einem solchen Weiterentwicklungsprozess allein die Vereinten Nationen Entscheidungs- und Handlungszentrum bleiben.
In jedem Fall muss auch der von den USA und Russland im Mai angekündigte Plan einer regionalen Friedenskonferenz zu Syrien in Genf intensiv weiterverfolgt werden. Das bevorstehende G-20 Treffen in St. Petersburg bietet eine Gelegenheit dazu, wenn sich die Regierungschefs ernsthaft darüber verständigen. Ich gehe davon aus, dass auch alle regionalen Akteure einschließlich des Iran in diesen Prozess einbezogen werden. Nur dann hat der Frieden dauerhaft eine Chance!
Zu Ihren weiteren Fragen:
1. Türkei und Mittelmeer:
Nein. Solange die Einsätze durch internationales Recht gedeckt sind bzw. innerhalb von Bündnissen, denen Deutschland angehört, stattfinden,operieren diese Truppen auf vertraglicher Grundlage.
2. Rüstungsexporte:
Rüstungsexporte müssen stärker gesetzlich geregelt und vor allem deren Einhaltung besser kontrolliert und überwacht werden. Bündnis 90/Die Grünen haben deshalb konsequente Rüstungsexportbeschränkungen zu einem Schlüsselprojekt für den Wahlkampf und für die anstehenden Koalitionsverhandlungen gemacht.
3. Stationierung von Waffen und Truppen in Deutschalnd:
Was meinen Sie mit „fremden Truppen“? Es handelt sich hier um Verbündete, die auch unsere Freiheit und Sicherheit schützen. Natürlich bin ich gegen Atomwaffen, genauso wie gegen Atomkraftwerke, aber leider ist es eben bisher noch nicht gelungen, diese überall in der Welt abzurüsten. Insofern wird es auch eine Aufgabe der künftigen Bundesregierung sein, stärker als bisher dafür zu sorgen, dass eine friedenserhaltende und friedenssichernde Außenpolitik den Einsatz solcher und anderer Waffen verhindert. Die bisherige Bundesregierung hat nach meiner Ansicht dafür zu wenig getan.
Und zu guter Letzt: Von Verschwörungstheorien halte ich nichts.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantwortet habe.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf-Peter Hässelbarth