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Ralf Göbel
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Frage von Rolf F. •

Frage an Ralf Göbel von Rolf F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Herr Göbel,

drei ganz knappe Fragen:

1. Haben Sie die EU-Verfassung bzw. sie wird ja neuerlich EU-Vertrag genannt, vor der Abstimmung im April gelesen?

2. Warum stimmen Sie
- der Wiedereinführungsoption der Todesstrafe und
- der Verpflichtung zur Aufrüstung unseres Landes und
- der militärischen, verpflichtenden Unterstützung anderer Länder
zu?

3. Sind Sie sich bewusst, dass individuelle Bedürfnisse unseres Landes und unserer Bürger durch diesen EU-Großstaat keinesfalls mehr berücksichtigt werden können in einer großstaatlichen Verfassung und dass entsprechend die Mitsprache der einzelnen Regierungen mit Inkrafttreten der EU-Verfassung quasi aufgehoben wird?

Vielen Dank!

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Finkbeiner,

nachfolgend beantworte ich Ihre Fragen erneut, nunmehr aber in einem öffentlichen Forum:

1. Zu Ihrer ersten Frage lautet die Antwort: ja.

2. Es gibt durch den EU Vertrag keine Wiedereinführungsoption der Todesstrafe in Deutschland. Jeder, der den Vertrag gelesen, weiß dies.

Im Lissabonner Vertrag vom Dezember 2007 ist die Charta der Grundrechte leider kein Bestandteil des Vertragstextes mehr, jedoch wird in Artikel 6 auf sie verwiesen und sie wird als verbindlich erklärt (außer für Polen und Großbritannien). In der Charta der Grundrechte steht ausdrücklich, dass die Todesstrafe abgeschafft ist (vgl. Art. II-62 des Vertrages über eine Verfassung von Europa aus dem Jahr 2005)- ebenso wie in Artikel 102 des Grundgesetzes.

Die irrtümliche Ansicht erfuhr wohl Nahrung, weil die Konvention der Europäischen Menschenrechte (EMRK) als geltend für die Unterzeichner des EU-Vertrages gesehen werden soll. Diese Konvention ist älteren Datums und wurde auch mehrfach geändert. In einer früheren Fassung wurde dort die Todesstrafe, grob vereinfacht gesagt, im Falle eines Krieges, erlaubt.

Auch nach der EMRK ist die Todesstrafe mittlerweile abgeschafft. Im Übrigen, und das ist sicher die wichtigste Regelung im EU-Recht, die das Argument der Wiedereinführung der Todesstrafe entkräftet, ist der Wirkungsbereich der Grundrechte auf EU Ebene und ihr Verhältnis zu anderen zwischenstaatlichen Regelungen im Art. II-112 Abs. 3 (Vertrag über eine Verfassung von Europa 2005, Abschnitt Charta der Grundrechte) geklärt:

“Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie Ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. *Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einer weitergehenden Schutz gewährt.“ *

Dies bedeutet, dass gerade die Grundrechte, die nach dem EU-Vertrag in weiterem Umfang geschützt werden, Vorrang haben vor anderen Regelungen, in denen der Schutz möglicherweise nicht so weit gewährt wird. Trotz dieser Erläuterungen zum EU-Recht möchte ich noch darauf hinweisen, dass nach Art. 79 III des Grundgesetzes unsere Grundrechte in Deutschland durch keine anderen Regelungen ausgehöhlt werden dürfen. Wäre dies der Fall, müssten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Ratifizierung einer solchen Vereinbarung verweigern.

Nun zu Ihrer zweiten Behauptung: „Verpflichtung zur Aufrüstung“.

Dies ist im Vertragstext an keiner Stelle enthalten. Die Behauptung entbehrt auch jeglicher Grundlage. Sie wird gerne von generellen Europagegnern kolportiert und zeigt die unsachlichen Argumentationsweisen.

Ihre Dritte Behauptung: Die angebliche Verpflichtung zur militärischen Unterstützung.

Es gibt keine Verpflichtung. Über jegliche Einsätze der Bundeswehr entscheidet jetzt und auch in Zukunft der Deutsche Bundestag.

3. Es wird durch den Lissabon-Vertrag kein europäischer Großstaat errichtet. Der Vertrag ist eine Fortentwicklung der Europäischen Union, die nach wie vor von eigenständigen nationalen Staaten gebildet wird. Die eigene Staatsqualität der Nationalstaaten wird nicht aufgehoben. Nach meiner Auffassung ist der Lissabon-Vertrag ein wichtiger Schritt zum „Bau des Hauses Europa“.

Freundliche Grüße

Ralf Göbel