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Ralf Göbel
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Frage von Mark E. •

Frage an Ralf Göbel von Mark E. bezüglich Recht

Hallo Herr Göbel,

ich habe da einige Fragen zum Thema "Bürgerrechte":

- warum tritt die Union nicht für eine Absenkung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre ein, wie es andere Parteien tun?

- inwieweit engagiert sich die Union für mehr direkte Demokratie, also für eine Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten des Bürgers in Kommunen, Ländern, Bund und Europa sowie für die Einführung von Volksentscheiden?
Entgegen anderslautenden Argumentationen denke ich schon, dass eine stückweise Einführung von mehr Volksbeteiligung langfristig von Vorteil für das Volk ist. Warum sollte etwas, das in der Schweiz funktioniert, hierzulande nicht möglich sein? Dort hat man offenbar einen Weg gefunden, sowohl den möglichen Missbrauch des Plebiszits durch „engagierte Interessengruppen“ zu unterbinden, als auch dem Volk die Möglichkeit zu geben, „hochkomplizierte Sachverhalte“ zu begreifen und darüber zu urteilen – ein Vorbild für alle Regierungen, die die Politikverdrossenheit ihrer Bürger beklagen. Dazu kommt, dass es die Möglichkeit des Volksentscheides in Deutschland durchaus auch auf Landesebene gibt – und ich denke doch, wer fähig ist, informiert auf Landesebene abzustimmen, kann dies auch auf Bundesebene, oder nicht?

- inwieweit setzt sich die Union im Strafrecht für den Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs ein? Soll bei jugendlichen Straftätern mehr auf den Erziehungsaspekt oder mehr auf Strafe gesetzt werden?

- was will die Union für den Schutz der Bürger vor der ungewollten Bloßstellung durch Medien wie z.b. der „BILD“-Zeitung tun?

- unter der rot-grünen Regierung wurden viele wichtige Entscheidungen von der öffentlichen Debatte im Bundestag ausgeschlossen und in Kommissionen und Arbeitsgruppen verlagert, in denen Lobbyisten gewichtige Mitspracherechte haben und in deren Arbeit die Öffentlichkeit keinen Einblick hat – insbesondere letzteres für mich völlig unverständlich. Wird die Union diesen Kurs als Regierungspartei beibehalten, oder soll die parlamentarische Arbeit wieder transparenter für den Bürger werden? Wenn ja, welche Entscheidungsprozesse werden dann wieder öffentlich nachvollziehbar sein, und welche finden weiterhin hinter verschlossenen Türen in Kommissionen statt (und warum)?

Ich bedanke mich für Ihre Antworten.
MfG
Mark Eisner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Eisner,

leider hat sich die Beantwortung Ihrer Fragen etwas verzögert. Ich bitte dafür angesichts der vielen Termine, die wahrzunehmen sind um Nachsicht. Nun die Antworten zu Ihren Fragen:

1. Für mich gibt es keine überzeugende Begründung für die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. Nach dem Eintritt der Volljährigkeit ist der betreffende Mensch im Zivilrecht voll geschäftsfähig und im Strafrecht voll verantwortlich für sein Tun (s.u.3). Vorher muss er seine Handlungen nur eingeschränkt selbst vertreten, mit Ausnahme der Religionsmündigkeit, die ab dem 14. Lebensjahr besteht. Mit der vollen Verantwortlichkeit für alle Handlungen ergibt sich dann auch das Recht, an Wahlen teilzunehmen und die politische Gestaltung unseres Gemeinwesens maßgeblich mit zu bestimmen.

2. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Bundesrepublik Deutschland als repräsentative, parlamentarische Demokratie verfasst. Das Grundgesetz hat damit die Grundlage für die erste stabile und erfolgreiche Demokratie in der deutschen Geschichte geschaffen. Daran halten wir fest. Eine Änderung des Grundgesetzes zur Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene streben CDU und CSU deshalb nicht an. Für ein „Demokratie-Ranking“ eignet sich diese Frage nicht. Es geht vielmehr um die Frage, welche Form der Demokratie sich bewährt. Vor allem auf Bundesebene haben wir mit der repräsentativen, parlamentarischen Demokratie die besten Erfahrungen gemacht.Wir sind der Auffassung, dass sich Volksinitiative, Volksbegehren und Volksabstimmung auf der für den Bürger überschaubaren kommunalen und auf der Landesebene bewährt haben. Hier sind sie auszubauen. Sie eignen sich jedoch nicht für die komplexeren Verhältnisse auf der Bundesebene. Plebiszitäre Formen der Staatswillensbildung stellen gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren kein Mehr an Demokratie dar. Gegenüber der Notwendigkeit zur Reduzierung komplexer Sachfragen auf Ja-Nein-Alternativen im Plebiszit bietet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein größeres Maß an Verfahrensrationalität, Interessenausgleich und Gelegenheit zum Kompromiss. Außerdem stellt es die nach Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz notwendige Mitwirkung der Bundesländer an der Gesetzgebung sicher, die bei nationalen Plebisziten fehlt.

3. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein geeignetes Instrument, um Jugendliche mit dem vergangenen strafbaren Tun und dessen Wirkung auf die Opfer der Straftat zu konfrontieren und um den Rechtsfrieden wieder herzustellen. Er ist allerdings nicht bei allen Straftaten, besonders nicht bei schweren Straftaten, geeignet, die beschriebene Wirkung zu erzielen. Deshalb meine ich, dass eine Erweiterung über die derzeitigen Regelungen hinaus nicht angezeigt ist. Eine verstärkte Anwendung dieses Instruments auf Grundlage der derzeitigen gesetzlichen Regelungen findet meine Unterstützung.
Im derzeitigen Jugendstrafrecht ist dem Erziehungsgedanken eine tragende Rolle zugewiesen. Das soll auch nicht geändert werden. Die eigentlich als Ausnahme vorgesehene Bestrafung von Tätern zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht ist mittlerweile fast zur Regel geworden. Hier ist aus meiner Sicht Handlungsbedarf gegeben: die Verurteilung von Tätern im Alter von 18-21 Jahren nach Erwachsenenstrafrecht muss wieder die Regel werden. Ebenso muss auch bei nach Jugendstrafrecht verurteilten Straftätern, bei denen sich während des Vollzugs zeigt, dass sie eine erhebliche Gefahr für die Mitmenschen darstellen, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung möglich sein. Wir dürfen nicht sehenden Auges in Kauf nehmen, dass nach der Entlassung aus dem Strafvollzug von diesen (wenigen) Tätern schwerste Straftaten gegen Leib, Leben und sexuelle Selbstbestimmung begangen werden.

4. Das Persönlichkeitsrecht jedes Einzelnen ist durch das Grundgesetz geschützt. Aber auch die Pressefreiheit ist ein geschütztes Grundrecht. Beide Grundrechte stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis, das nicht leicht aufgelöst werden kann. Für die Presse gibt es gesetzliche Regeln, an die sie sich halten muss und die das Persönlichkeitsrecht schützen. Verletzungen dieser Gesetze führen zu verschiedenen Sanktionen gegenüber den Journalisten und Verlagen. Durch die Rechtsprechung in Deutschland, aber auch in Europa (z.B. Caroline-Urteil) ist der gesetzliche Rahmen konkretisiert, so dass sich aus meiner Sicht kein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt. Im Einzelfall ist dies sicherlich sehr ärgerlich, aber diese Einzelfälle können nicht dazu herangezogen werden, das Grundrecht der Pressefreiheit weiter zu Gunsten des Persönlichkeitsrechts einzuschränken als dies bisher der Fall ist, ohne einen Verfassungsverstoß in kauf zu nehmen.

5. Als Parlamentarier bin ich dafür gewählt, im Deutschen Bundestag Lösungen für Probleme, die die Menschen bewegen, zu finden. In der parlamentarischen Debatte werden die Argumente öffentlich ausgetauscht und das Für und Wider von Lösungsvorschlägen erörtert. Nur so werden Entscheidungsprozesse transparent.
Sofern die Abgeordneten weiteren Sachverstand benötigen, wird dieser durch Experten bei den meist öffentlichen parlamentarischen Anhörungen eingebracht und in die Entscheidungsfindung einbezogen. Das muss wieder der Normalfall werden ! Ich will dabei die Arbeit von Kommissionen nicht herabwürdigen. Es gibt auch dort teilweise hervorragende Arbeitsergebnisse. Aber eine Umsetzung dieser Ergebnisse !:1, wie wir dies in den letzten Jahren erlebt haben, entspricht weder der Intention unserer parlamentarischen Demokratie, noch meinem Selbstverständnis als Abgeordneter. Keine Kommission kann und darf die Arbeit des Parlaments und die Verantwortung des Abgeordneten gegenüber den Wählerinnen und Wählern ersetzen.

Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen ausreichend beantwortet habe und wünsche Ihnen alles Gute

Ralf Göbel, MdB