Frage an Ralf Brauksiepe von Franziska S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Brauksiepe,
der von Ihrer Partei mitunterzeichnete Koalitionsvertrag sieht unter anderem auf Seite 7, aber auch an zahlreichen anderen Stellen "Bürokratieabbau" vor. Zugleich vereinbaren Sie unter dem Stichwort "Strukturreform SGB II" auf Seite 74 eine "verfassungsfeste Lösung" sowie die Verankerung der "getrennten Aufgabenwahrnehmung" - dies "ohne Änderung des Grundgesetzes und ohne Änderung der Finanzbeziehungen".
Beides widerspricht sich: Wo heute Arbeitslosengeld II-Empfänger in der Mehrheit der Fälle zu einer Behörde, der ARGE, gehen, müssen sie künftig zu zwei Behörden, um im Ergebnis dieselben Leistungen - Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung - zu erhalten. Bitte erklären Sie mir, wie sich diese Haltung mit "Bürokratieabbau" vereinbaren lässt, wenn künftig zwei statt einer Behörde die Leistungen gewähren!
Des weiteren wollen Sie die Optionskommunen, die als vorübergehendes "Experimentiermodell" gedacht waren, ohne Verfassungsänderung als Dauerlösung installieren. Da bereits heute Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Optionskommunen laut werden, wüsste ich gerne, wie eine verfassungsfeste "Optionslösung" ohne Verfassungsänderung aussehen soll!
Darüber hinaus hat das BVerfG gerade die Mischverwaltung als unzulässig angesehen. Bitte erklären Sie mir, wie dieses Verbot der Mischverwaltung zu einem "Mustervertrag" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales steht! Was passiert eigentlich, wenn eine Kommune den Mustervertrag mit der BA nicht abschließen möchte? Ist dann nicht absehbar, dass im Falle der Kooperationsunwilligkeit jedenfalls mit einem enormen bürokratischen Aufwand zu rechnen ist, der eher zu einer Zunahme der streitigen Verfahren im SGB II-Bereich führt?
Bitte teilen Sie mir mit, welche Gründe dazu geführt haben, dass CDU, CSU und FDP eine so verheerende Lösung zur Umsetzung des BVerfg-Urteils gewählt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Siebenschuh
Sehr geehrte Frau Siebenschuh,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Neuorganisation im Bereich des SGB II über das Portal von abgeordnetenwatch.de.
Die Neuorganisation im SGB II ist notwendig aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 20.12.2007. Die Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, die Aufgabenwahrnehmung im Bereich des SGB II ohne Änderung des Grundgesetzes neu zu regeln. Dies ist nicht die von der Union bevorzugte Lösung, weil sie – wie Sie zu Recht anmerken – zusätzliche Bürokratie verursacht. Wir müssen diesen Weg allerdings so gehen, weil die SPD sich klar festgelegt hat, eine Verfassungsänderung in diesem Bereich nicht mitzutragen.
Das nun anstehende Gesetzgebungsverfahren muss offen und transparent sein und es muss mit allen Beteiligten (Länder, Kommunen, Arbeitnehmervertreter, BA) gesprochen werden, um eine sachgerechte Lösung für die Zeit ab 2011 zu finden. Die künftige Lösung muss den Grundsätzen der Föderalismusreform I, dem Demokratieprinzip, dem Selbstverwaltungsrecht der Kommunen und dem Urteil des BVerfG entsprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Brauksiepe