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Rainer Wieland
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Frage von Jérôme K. •

Wie stehen Sie zu der angedachten Chatkontrolle in der EU, des anlasslosen und flächendeckenden Generalverdachts aller EU-Bürger?

Sehr geehrter Herr Wieland,
ich würde gerne Ihre Position bezüglich des geplanten Gesetzesvorhabens zur Chatkontrolle erfahren. Wie stehen Sie zu dem Aufbrechen der Verschlüsselung und der Offenlegung aller geschriebenen Nachrichten unter dem Deckmantel des Schutzes vor Kindesmissbrauch?
Ich mache mir Sorgen, dass die geplante Chatkontrolle ein gefährlicher Präzedenzfall ist, der das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung bedroht. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ähnliche Vorhaben wie die anlasslose, flächendeckende Vorratsdatenspeicherung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EUGH) für rechtswidrig erklärt wurden. Wie sehen Sie das?
Sind Sie der Meinung, dass die Bedenken der Experten und der Bevölkerung berücksichtigt werden sollten und dass das Recht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung geschützt werden muss?
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie Ihre Standpunkte zu diesen wichtigen Fragen teilen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
J. Kr

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr K.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 10. Juli 2023 zum Thema „Chatkontrolle“, auf die ich höflich Bezug nehme. Ich freue mich, dass Sie sich mit diesem wichtigen Anliegen an mich wenden. Diese Form des direkten Kontakts zu Bürgerinnen und Bürgern ist mir besonders wichtig. Für die verspätete Beantwortung bitte ich ausdrücklich um Nachsicht. 

Vor dem Hintergrund der Europäischen Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern legte die EU-Kommission bereits im Mai 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) vor, der medial auch als „Chatkontrolle“ Eingang gefunden hat. Ziel der Verordnung ist es, sexuellen Missbrauch von Kindern vorzubeugen und zu bekämpfen, indem digitale Unternehmen künftig verpflichtet werden, Kindesmissbrauchsfälle auf ihren Internetseiten zu melden und Ermittlungsbehörden darüber zu informieren. So sollen künftig Missbrauchsfälle europaweit entdeckt und geahndet werden können. 

Nachdem sich der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments am 14.11.2023 bereits auf einen Kompromisstext verständigen konnte, stimmte eine Mehrheit der Europaabgeordneten im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg am 10.04.2024 für den ausgehandelten Bericht. Unter folgendem Link finden Sie weitere Informationen über die aktualisierte Verordnung zur Prävention und Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet: 

https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20231116STO11629/bekampfung-des-sexuellen-missbrauchs-von-kindern-im-internet.

Als CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament ist es uns ein wichtiges Anliegen, in Europa entschieden gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vorzugehen. Diese Verbrechen sind abscheulich und bedürfen einer konsequenten strafrechtlichen Verfolgung. Das Internet darf dabei kein rechtsfreier Raum sein. Als europäischer Gesetzgeber müssen wir den Ermittlungsbehörden deshalb wirksame und ausbalancierte Instrumente an die Hand geben, die es ihnen ermöglichen, die Täter zu ermitteln und die Opfer zu schützen. 

Aus diesen Gründen haben wir uns als CDU/CSU-Gruppe in den Verhandlungen für einen ausgewogenen Ansatz eingesetzt, der sowohl den Schutz von Kindern stärkt als auch präventive Maßnahmen einführt. Der finale Kompromisstext zur genannten Verordnung berücksichtigt schließlich unsere Anliegen. So konnten wir die im Kommissionvorschlag ursprünglich vorgesehenen jedoch umstrittenen Aufdeckungsanordnungen deutlich einschränken und mit robusten rechtsstaatlichen Schranken versehen. Die unter dem Begriff „Chatkontrolle“ bekannten Maßnahmen wurden schließlich verworfen. Stattdessen bleibt die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unangetastet, und das ursprünglich vorgesehene pauschale und flächendeckende Client-Side-Scanning wird de facto ausgeschlossen. Zudem ist die Anordnung von Aufdeckungsmaßnahmen nur mit richterlichem Beschluss und bei begründetem Anfangsverdacht erlaubt.

Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass wir mit der neuen Verordnung den Kinderschutz im digitalen Raum sowie die Opferrechte, sowohl online als auch offline, stärken konnten. Das neue EU-Zentrum für den Schutz von Kindern wird dabei entscheidende Rolle spielen.

Sie können versichert sein, dass ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Gruppe weiterhin für eine Gesetzgebung mit Augenmaß eintreten werden. Insbesondere wenn es darum geht, den Ausgleich der Grundrechte im digitalen Zeitalter – in diesem Fall das Recht auf Privatsphäre der Internetnutzer einerseits und das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit minderjähriger Opfer sexualisierter Gewalt andererseits – in Einklang zu bringen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt etwas näherbringen konnte und danke Ihnen nochmals für Ihre Anfrage. 

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Wieland