Wie rechtfertigen sie die hohen Ausgaben für den Umbau ihres Büros? Es kursieren Zahlen zwischen 490.000 und 600.000 Euro dafür.
Leider habe ich den ganzen Artikel, der im Spiegel veröffentlicht wurde, nicht gelesen. Ich befürchte aber das daraus auch keine weiteren Erklärungen hervorgehen.
Sehr geehrter Herr D.,
ich bedanke mich sehr für Ihren Kommentar über das Portal Abgeordnetenwatch und auch für den sachlichen Ton, den zu treffen nicht jeder Zuschrift gelungen ist. Für mich ist Ihre Rückmeldung wichtig und ich möchte Ihnen gerne im Folgenden einige relevante Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen.
Gestattet Sie mir, dass ich mich am Beginn dieses Briefes zunächst dem zuwende, was mich auch ganz persönlich sehr betroffen gemacht hat:
Der in der öffentlichen Berichterstattung geäußerte Vorwurf, ich hätte mein Abgeordnetenbüro zum Eigennutz auf Kosten der Steuerzahler renoviert und mit luxuriöser Einrichtung ausgestattet, ist falsch, mich damit in die Nähe der Wahrnehmung persönlicher Interessen zu rücken, ist irreführend und rufschädigend. Der vom Berichterstatter vorgelegte Entwurf spiegelt ausschließlich die persönliche Meinung des Berichterstatters der grünen Fraktion wider. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Mehrheit des Ausschusses dazu stellt und mit welchem Text der Bericht dann im Plenum vorgestellt wird.
Die Entscheidung zur Einrichtung des sogenannten IDEA Labs, eines Gebäudebereichs als Pilotprojekt zur Prüfung potentieller neuer Bürotechnik im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Energieeinsparung, flexible Nutzungsmöglichkeiten und Kosteneffizienz, wurde einschließlich der dort beteiligten Vertreter der Fraktion des Berichterstatters einstimmig vom Präsidium des Europäischen Parlaments getroffen und am 26.01.2022 ebenso einstimmig erneuert. Der Entschluss zur Entwicklung eines IDEA Labs und seiner Zielrichtung wurde in der Arbeitsgruppe Gebäude über längere Zeit hinweg entwickelt und einstimmig getragen. Auch dort sind alle Fraktionen vertreten.
Die in der Berichterstattung genannten Kosten, deren Bezifferung sich im Übrigen nicht auf Recherchen stützt, sondern auf transparente Angaben der Verwaltung, sind in der Tat hoch. Allerdings wird in der öffentlichen Berichterstattung größtenteils verschwiegen, dass gut ein Drittel der genannten Kosten für einen Multifunktionsraum veranschlagt wurden, der nicht zu meinem Büro gehört, sondern für alle Abgeordneten und deren Mitarbeiter zur freien Nutzung zur Verfügung steht.
Es handelt sich dabei um einen ehemaligen ungenutzten Lagerraum, der umgebaut wurde und nun für kleinere Sitzungen, Interviews oder Pressekonferenzen genutzt werden soll. Etwa die Hälfte aller Kosten für die bisherigen Arbeiten sind durch die Schaffung einer grundständigen Infrastruktur entstanden, die Nachhaltigkeits- und Sicherheitsaspekten Rechnung trägt. Diejenigen Projekte, die nach dem Testlauf weiterverfolgt werden, können ohne größere weitere Kosten dort angebunden werden. Hinzu kommt, dass die Kosten, die für gewöhnliche Renovierungsarbeiten im Parlament anfallen, in den Kosten des IDEA Labs bereits enthalten sind.
Ein weiterer Aspekt, der in der medialen Berichterstattung kaum Erwähnung findet, ist der mit dem IDEA Lab verbundene Mehrwert im Sinne eines erheblichen Gewinns an Bürofläche. Durch die Erschließung eines ungenutzten Lagerraums und den Abbau der in den 90er Jahren gebauten und mittlerweile ungenutzten Bäder in den Abgeordnetenbüros konnte ein Reingewinn von annähernd 20 % Nutzfläche erzielt werden, die künftig für einzelne Büros oder als Gemeinfläche genutzt werden können.
Die Entscheidung, das IDEA Lab zum Teil in den Räumen meines Büros einzurichten, hat vor allem praktische Gründe. Wie bereits oben beschrieben, sollte im Rahmen des IDEA Labs auch der Abbau der „Nasszellen“ und die künftige Nutzung der bisher dafür erforderlichen Fläche getestet werden. Dieser Abbau ist nur in einem der obersten Stockwerke möglich, um den Wasserkreislauf in den darüber liegenden Stockwerken nicht zu unterbrechen. Da sich das Büro keines anderen Mitglieds der Arbeitsgruppe in einer der obersten Etagen befand, lag die Nutzung meines Büros in der 15. Etage für die Ansiedlung des IDEA Labs nahe und war nie umstritten. Soweit die öffentliche Darstellung den Eindruck erweckt, das Büro sei neu für mich eingerichtet und dann erst von mir bezogen worden, ist dies schlichtweg falsch.
Hinter dem vom gesamten Präsidium des Europäischen Parlaments getragenen Projekt des IDEA Labs steht das globale Ziel, ein 25 Jahre altes Gebäude für seine erhebliche Restlaufzeit nachhaltig und vor allem energetisch zu ertüchtigen, gerade um zukünftig niedrigere Kosten zu erzielen. Das IDEA-Lab wurde mit dem Hauptinteresse eingerichtet, dieses umfängliche Konzept vor einer möglichen Umsetzung in größerem Maßstab und auch künftig Neuerungen planmäßig vor Einführung zu testen. Ich halte dies nach wie vor auch wirtschaftlich für vernünftig.
In meiner Funktion als Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Präsidiumsarbeitsgruppe Gebäude halte ich es für eine wichtige, nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllende Aufgabe, die Ausrüstung der Büros der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter auf der Höhe der Zeit zu halten und gleichzeitig durch Effizienzsteigerung öffentliche Gelder zu sparen. Ein zeitgemäßes Parlament muss auf neue Entwicklungen, wie zum Beispiel im Bereich „Home Office“, angemessen, aber nicht hektisch reagieren, sie im besten Fall antizipieren, ohne falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Also ziemlich genau das Gegenteil dessen, was mir vom Berichterstatter vorgeworfen wird.
Aus dieser Überzeugung heraus will ich Ihnen gerne für Rückfragen und einen persönlichen Austausch zur Verfügung stehen. Meine Mitarbeiter werden in den kommenden Tagen ein Online-Meeting vorbereiten, in diesem Rahmen ich allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern für einen persönlichen Meinungsaustausch zur Verfügung stehe. Wenn Sie an einer Teilnahme interessiert sind, bitte ich Sie, Ihr Interesse schriftlich über folgende E-Mail-Adresse zu bekunden: rainer.wieland@ep.europa.eu. Sie erhalten dann rechtzeitig die Zugangsdaten.
Falls Sie bis dahin weitere Hintergründe zum IDEA Lab nachlesen möchten, kann ich Ihnen sowohl die Pressemitteilung der EVP-Fraktion des Europäischen Parlaments (abrufbar unter folgendem Link: https://www.cducsu.eu/artikel/ep-vizepraesident-wieland-weist-vorwuerfe-ueber-buero-renovierungen-als-politisch-motiviert) als auch meine Stellungnahme mit ausführlichen Erläuterungen zum Entstehungsprozess des IDEA Labs (abrufbar unter folgendem Link https://www.mdep.de/2022/01/17/sonder-newsletter-beitrag/) empfehlen.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben, würde mich freuen, wenn Sie das Angebot eines persönlichen Gesprächs annehmen und verbleibe bis dahin
mit freundlichen Grüßen
Rainer Wieland MdEP