Frage an Rainer Wieland von Peter S. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter Herr Wieland,
am 19.10.20 habe ich in meiner Petition 1131/2020 eine fragwürdige Praxis der Bürgerbeauftragten beschrieben:
„Mit meiner Petition möchte ich erreichen, dass die Europäische Bürgerbeauftragte künftig Bürgerinnen und Bürgern den Rücken stärkt, die bei der EU-Kommission Beschwerde wegen mutmaßlich rechtswidriger staatlicher Beihilfen einlegen. Wer sicherstellen will, dass die Kommission einer solchen Beschwerde von Amts wegen nachgeht, muss erreichen, dass er als „Beteiligter“ eingestuft wird. Gegenwärtige Praxis der Kommission ist es, Beschwerdeführer abzuwimmeln, indem sie den Begriff „Beteiligter“ übermäßig restriktiv auslegt. Ein Beschwerdeführer, so die Kommission, müsse in Bezug auf seine Wettbewerbsposition am Markt betroffen sein, um Rechte als „Beteiligter“ geltend machen zu können. Damit werden den Bürgerinnen und Bürgern Mitwirkungsrechte versagt, wenn die strittige staatliche Beihilfe andere, womöglich sogar wichtigere Interessen berührt, wie Eigentumsrechte, ihre Gesundheit oder die Umwelt, in der sie leben. Das Sekretariat der Bürgerbeauftragten hat diese restriktive Praxis der Kommission wiederholt gebilligt, obwohl sie nicht im Einklang mit der Verordnung (EU) 2015/1589 und der einschlägigen Rechtsprechung steht.“
Am 10.2.21 wurde im EP-Petitionsportal folgende Zusammenfassung veröffentlicht:
"Der Petent möchte erreichen, dass BürgerInnen, die bei der Europäischen Kommission Beschwerde wegen mutmaßlicher rechtswidriger staatlicher Beihilfen einlegen, von der Europäischen Bürgerbeauftragten den Rücken gestärkt bekommen. Der Begriff des Beschwerdeführers würde derzeit von der Kommission zu restriktiv ausgelegt."
Warum wird die Petition so verkürzt, dass meine Argumentation nicht nachvollziehbar ist? Warum wird verschleiert, dass es auch um eine Kritik an der Praxis der Bürgerbeauftragten geht? Soll damit erschwert werden, dass die Petition Unterstützer findet?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schönberger
Sehr geehrter Herr Schönberger,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage vom 10. Februar 2021 zum Thema Petitionen, auf die ich höflich Bezug nehme. Ich freue mich sehr, dass Sie sich mit diesem konkreten Anliegen an mich wenden. Diese Form des direkten Kontakts zu Bürgerinnen und Bürgern ist mir besonders wichtig.
Das Recht eines jeden EU-Bürgers,eine Petition an das Europäische Parlament zu richten, ist eine wichtige Möglichkeit für das Europäische Parlament, auf konkrete Anliegen der Unionsbürgerinnen und -Bürger einzugehen. In Ihrer Anfrage geben sie an, dieses Rechtsei durch die Zusammenfassung Ihrer Argumentation beschnitten worden und legen Ihre vollständige Argumentation dar. Dabei geht es Ihnen besonders um die Auslegung des Begriffs des Beteiligten im Beschwerdeverfahren wegen mutmaßlich rechtswidriger staatlicher Beihilfen durch die Europäische Kommission.
Die Europäische Kommission, sowie die von Ihnen angesprochene Rechtsprechung kann sich in ihrer Begriffsauslegung nur innerhalb der Grenzen einer Legaldefinition bewegen. Ohne dem Ergebnis des Petitionsausschussesvorgreifen zu wollen, ist der für dieses Verfahren einschlägige Beteiligtenbegriff dabei in Art. 1 lit.h der Beihilfenverfahrens-VOlegal definiert. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass der Beteiligtenbegriff weit auszulegen ist, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Dies scheint hier aber der Fall zu sein. Wenn die EU-Kommission die Beteiligteneigenschaft aufgrund eines fehlenden Bezugs auf eine Wettbewerbsposition ablehnt, so erfindet sie keine zusätzlichen Voraussetzungen, sondern zitiert lediglich Art. 1 lit. h der Beihilfenverfahrens-VO. Zwar ist ein Wettbewerber des durch eine Beihilfe Begünstigten – neben dem Begünstigten selbst – der in der Praxis häufigste Anwendungsfall eines Beteiligten im Sinne des Art. 1 lit. h Beihilfenverfahrens-VO(Bartosch, 3. Aufl. 2020, VO 2015/1589 Art. 1 Rn. 22). Indes hat der EuGH befunden, dass auch „ein Unternehmen, das kein direkter Wettbewerber des Beihilfeempfängers ist, wohl aber denselben Rohstoff im Rahmen seines Produktionsprozesses benötigt, als Beteiligter betrachtet wird, sofern es geltend macht, dass seine Interessen durch die Gewährung der Beihilfe beeinträchtigt werden könnten.“ Eine Beteiligteneigenschaft wird somit nicht zwingend an das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses geknüpft, sondern an die Beeinträchtigung des Klägers durch die Beihilfegewährung. Dabei wird zum Beispiel anerkannt, dass sowohl die Interessen einer Gewerkschaft als auch eines Interessenverbandes durch die Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein könnten.
Ob es sich in dem von Ihnen dargestellten Fall, in dem die EU-Kommission angeblich den Beteiligtenbegriff unzulässig restriktiv ausgelegt hat, um eine der genannten Konstellationen handelt, lassen Sie offen. Sie sprechen lediglich davon, dass Bürgerinnen und Bürgern Mitwirkungsrechte versagt würden, ohne dass sie dafür einen konkreten Anhaltspunkt anführen. Dass das EP-Petitionsportal diese rechtlich falsche Argumentation in der Zusammenfassung nur gekürzt wiedergibt, liegt folglich mehr im Interesse des Petenten, als in dem der Bürgerbeauftragten der Europäischen Union.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Zuschrift zu diesem wichtigen Thema und hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Soweit dies erforderlich ist, werde ich den Fortgang Ihrer Petition im Petitionsausschuss begleiten. Ich stelle Ihnen gerne anheim, mich ergänzend bzw. zur Sicherheit auf aus Ihrer Sicht bedeutsam erscheinende Termine zu gegebener Zeit aufmerksam zu machen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rainer Wieland