Frage an Rainer Wieland von Gerd M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Guten Tag Herr Wieland,
für unser Bundesland ist der Rohstoff "Bildung" schlechthin die Basis für unseren Wohlstand. Die Wikipedia leistet seit ihrer Existenz dazu hervorragende Beiträge zu minimalen Kosten. Die deutsche Wikipedia hat in einigen Bereichen die weltweite Leitung (Wissenszugriff) übernommen! Wir sollten alles tun, um diese Arbeit für unsere Bürger weiter klar zu unterstützen - alle, die Bürger, die Industrie, die Wissenschaft, die Politik haben gemeinsam grossen Nutzen davon.
Wie stellen Sie sich in diesem Zusammenhang zu den möglichen Einschränkungen durch das vorbereitete Leistungsschutzgesetz und die Uplaodfilter?
Mit freundlichen Grüßen aus Tübingen
G. M.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch zur Auswirkung der geplanten Reform des Urheberrechts auf eine Online-Enzyklopedie wie Wikipedia. Zur Beantwortung Ihrer Anfrage erlaube ich mir zwei Hinweise.
Erstens finden Sie auf meiner Homepage eine allgemein gehaltene Stellungnahme von mir zum Thema der Reform des europäischen Urheberrechts. Der Text wurde noch vor der Abstimmung des Textes im Plenum veröffentlicht, greift jedoch wichtige Punkte auf:
https://www.mdep.de/index.php/Aktuell/311.html
Darüber hinaus möchte ich vor allem auf die Stellungnahme des für die Reform unmittelbar verantwortlichen Berichterstatters, meines geschätzten Kollegen Axel Voss verweisen. Darin werden Ihre Bedenken im Detail aufgegriffen:
„1. Für wen soll das Gesetz genau gelten? Welche Internetseiten sind davon betroffen?
In Artikel 2 der Richtlinie definieren wir klar, welche Plattformen in den Anwendungsbereich fallen. Das sind nur solche, die ein Geschäft damit machen, dass Nutzer urheberrechtlich geschützte Inhalte hochladen können.
Folglich werden somit nur 1-5% aller Plattformen betroffen sein. Es fallen folgende oder ähnliche Plattformen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 13:
- Wikipedia (oder ähnliche Plattformen);
- Plattformen, bei denen nur die Rechteinhaber selbst hochladen;
- Dropbox (oder ähnliche Plattformen);
- Github (oder ähnliche Plattformen);
- Ebay (oder ähnliche Plattformen);
- Dating-Plattformen
2. Was hat es mit den so genannten Upload-Filtern in Art. 13 auf sich? Kann ein automatischer Filter überhaupt zwischen Zitatrecht und Urheberrechtsverstoß unterscheiden?
Zunächst einmal schreibt Art. 13 gar keine Filter und auch keinen Automatismus vor. Es wird in der Praxis aber sicherlich zum Einsatz von Erkennungssoftware kommen, die auf der Grundlage der Informationen, die durch die Rechteinhaber zur Verfügung gestellt worden sind, funktionieren wird.
Wahrscheinlich wird es dabei zunächst keine 100% Trefferquote geben. Man kann aber davon ausgehen, dass sich die Erkennung immer weiter verbessern wird.
Die Memes, Zitier- und Parodiefreiheit etc. und deren Gültigkeit haben rein gar nichts mit Art. 13 zu tun.
Das Zitatrecht wird insgesamt von dieser Reform nicht berührt. Die Richtlinie befasst sich mit der Haftung von Plattformen bei urheberrechtlich geschützten Werken. Ob ein Werk unter die Zitatfreiheit, die im nationalen Recht geregelt ist, fällt oder nicht, wird hier nicht geregelt.
3. Was ändert sich durch die Reform beim Urheberrecht? Verstoßen dann z.B. "Let's Play's" (Vorführen und Kommentieren eines Computerspiels) gegen das Urheberrecht?
Auch das regelt diese Reform nicht. Was urheberrechtlich geschützt ist, wird im bereits bestehenden nationalen / europäischen Urheberrecht geregelt. Diese Richtlinie beschäftigt sich „nur“ mit der Haftung von Plattformen, wenn Urheberrechtsverstöße stattfinden. Mit anderen Worten: ob etwas urheberrechtlich zulässig ist, bestimmt das bereits existierende Recht!
4. Was hat es mit dem so gennannten Leistungsschutzrecht auf sich?
Leistungsschutzrecht bedeutet, dass Presseverlegern das Recht eingeräumt wird, für die Veröffentlichung ihrer Presseinhalte Geld zu verlangen. Ausgenommen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte. Suchmaschinen und Plattformen müssten also bezahlen, wenn sie diese Inhalte entsprechend aufbereiten und kommerziell nutzen wollen.
Ein Beispiel hierfür ist Google. Google verdient Geld mit den Erzeugnissen der Presseverleger. Nutzer lesen die Artikel auf Google News und Google macht insbesondere durch Werbung großen Gewinn. Die Presseverlage gehen hingegen leer aus, weil dadurch viel weniger Nutzer auf ihre Seiten gehen.
Durch das Leistungsschutzrecht sollen die Einnahmen zwischen Journalisten und Internetplattformen fairer verteilt werden. Im Internet ist die bisherige rechtliche Absicherung nicht mehr praxistauglich.
Die Lage hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft. Die zunehmende Abhängigkeit wirtschaftlicher Überlebensfähigkeit von einer großen Suchmaschine oder den Plattformen mit ihrer entsprechenden Marktmacht beunruhigt, weil eine finanziell unabhängige Presse ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie und unserer Meinungsfreiheit ist.
Deshalb müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es den Presseverlagen – gerade auch den kleineren – ermöglichen, der Marktmacht der Plattformen auf Augenhöhe zu begegnen.
5. Das Leistungsschutzrecht hat doch schon in Deutschland und Spanien nicht funktioniert?
Gerne wird argumentiert, in Deutschland und Spanien hätte das Leistungsschutzrecht bisher nicht zufriedenstellend funktioniert. Das zeigt hingegen nur, dass selbst einzelne Länder von den Plattformen mittlerweile ignoriert werden können und dass sie nicht mehr auf der gewünschte Augenhöhe mit ihnen sind. Die Presseverlage müssen einheitlich zusammenstehen.
6. Wird hierdurch eine so genannte Link-Steuer eingeführt?
Nein! Die Behauptung, mit dem Leistungsschutzrecht würde eine Link-Steuer eingeführt, ist falsch und reine Stimmungsmache. Hyperlinks sind vom Leistungsschutzrecht explizit ausgenommen! Der Einzelne bleibt von der Regelung unberührt, er darf weiter Links und Zitate teilen“