Frage an Rainer Wiebusch von Bernd C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wiebusch,
fast 16 Jahre nach der Wiedervereinigung werden in Berlin und in den neuen Bundesländer immernoch Unterschiede in der Besoldung der Beamten gemacht.
Die ursprüngliche Begründung hieß, dass die Lebensunterhaltungskosten in den fünf neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins dies rechtfertigen.
Das dies nicht mehr zutreffend ist, liegt offensichtlich auf der Hand.
Für mich stellt diese nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung einen Verfassungsbruch dar, denn Artikel 3 Abs. 1 GG schreibt fest, "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Artikel 3 Abs. 3 GG beinhaltet ein Diskriminierungsverbot, wonach "Niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung ..... benachteiligt oder bevorzugt werden darf. "
Meine Frage an Sie: Was machen Sie, als Demokrat und gewählter Abgeordneter konkret, um diese Ungerechtigkeit zu beenden und das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz durchzusetzen.
Sehr geehrter Herr Clemens,
der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ muss für alle gelten: für Beamte, Arbeiter, Angestellte. Im öffentlichen Dienst und in der freie Wirtschaft. Dies ist meine persönliche Überzeugung seit 16 Jahren. Das Land Berlin hat hier – zumindest für Arbeiter und Angestellte – alles richtig gemacht.
Wenn im öffentlichen Dienst - insbesondere in Berlin - alles dafür spricht, alle nur erdenklichen Einsparpotenziale zu realisieren, dann sind m.E. hier Dinge wie Modernisierung, Flexibilisierung, Synergien, Bürokratieabbau etc. angesagt. Jedoch keine unterschiedlichen Löhne und schon gar nicht mit Begründungen wie niedrigere Lebenshaltungskosten. Das ist für den alten Ostteil Berlins völliger Unsinn; und „ärmere“ ländlich strukturierte Regionen gibt es in Ost und West, in Nord und Süd.
Wer 100% arbeitet, der soll auch 100% Geld bekommen – und nicht 96%! Das ist eine Frage der Moral und des Anstands, und auch eine Frage der Gerechtigkeit und der Kaufkraft!
Das Bundesverfassungsgericht hat letzte Woche ein m.E. in diesem Zusammenhang sehr problematisches Urteil veröffentlicht: „Die aus der historischen Ausnahmesituation der Vereinigung (...) folgenden allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet rechtfertigen eine besoldungsrechtliche Unterscheidung.“ (BvL 3/00)
Da werden sicherlich in einigen Bundesländern des „Beitrittsgebietes“ (ich finde diesen Begriff immer noch sehr gewöhnungsbedürftig!) entsprechende Sparpläne aus den Schubladen der Finanzminister geholt. Und wenn im Zuge der – grundsätzlich notwendigen und zu begrüßenden – Föderalismusreform den Bundesländern bei der Besoldung ihrer Landesbediensteten größere Selbständigkeit erwachsen wird, dann bedarf es starker politischer Kräfte, die Interessen der Arbeiter, Angestellten und Beamten zu wahren. Das sage ich auch als Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Ich werde als direkt gewählter Abgeordneter das umzusetzen versuchen, was ich hier geschrieben habe.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Rainer Wiebusch