Frage an Rainer-Michael Lehmann von Melanie A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lehmann,
eine Bekannte von mir ist vor ca. einem Jahr mit ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland gekommen. In Syrien hat sie Zahnmedizin studiert und stand kurz vor ihrem Abschluss.
Besonders aus Syrien, aber auch aus vielen anderen Ländern, kommen zahlreiche junge Menschen, die durch den Krieg am Abschluss ihres Studiums gehindert wurden. Viele möchten ihr Studium in Deutschland weiterführen. Leider sind die Regelungen hier sehr strikt. Zunächst dauert es sehr lange, bis die Asylverfahren abgeschlossen sind, d.h. bis es den Menschen überhaupt erlaubt wird, ein Studium aufzunehmen. Auch danach werden ihnen immer weitere Steine in den Weg gelegt. Es wird ein sehr hohes Sprachniveau im Deutschen erwartet, die Kurse, die von den Behörden gezahlt werden, gehen allerdings nur bis B2. Alle anderen Kurse müssen die jungen Leute selbst bezahlen, was für viele unmöglich ist. Auch werden die im Heimatland anerkannten Studienleistungen nur unzureichend anerkannt.
Was mich jedoch am meisten schockiert, ist, dass die Flüchtlinge, obwohl sie nun dauerhaft in Deutschland leben (zumindest die nächsten Jahre) und keine Möglichkeit haben, in ihren Heimatländern zu studieren, unter die Ausländerquote fallen, die allerdings nur 5% der Studienplätze ausmacht. Es ist für diese Menschen nicht einfach nur ein Wunsch, an einer deutschen Hochschule zu studieren, es ist ihre einzige Chance.
Daher wollte ich mich erkundigen, wie Sie als Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen diese Situation sehen. Zwei Aufgaben ihres Ausschusses sind der Abbau von Diskriminierungen und die interkulturelle Öffnung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Meiner Meinung nach sind es genau diese beiden Aufgaben, die Sie dazu verpflichten, sich auch mit dem Problem des Hochschulzugangs für Geflüchtete zu beschäftigen. Gibt es bereits Vorschläge, wie man in Berlin mit der Situation umgehen kann? Bzw schon Verbesserungsvorschläge?
Freundliche Grüße
Sehr geehrte Frau Anteck,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an dieser wichtigen Thematik.
Es gibt derzeit verschiedene Aktivitäten in diesem Bereich:
Zunächst hat der Senat für Bildung dafür gesorgt, dass die Auflage „Studium nicht gestattet“ nicht mehr in die Aufenthaltsgestattung aufgenommen wird. Dies ist ein wichtiger Aspekt.
Weiter hat das Studentenwerk auf Initiative der des Senates für Bilderung hin, die Förderprogramme auch auf Flüchtlinge ausgedehnt:
http://www.studentenwerk-berlin.de/en/studentenwerk/pressemitteilungen/4252346.html
Die Gasthörergebühren werden von den Flüchtlingen nicht erhoben und die Sprachkurse/Studienkollegs sollen ausgebaut werden. Teilweise erfolgt die durch die Hochschulen bereits.
Zu dem Punkt mit der Vorabquote für ausländische Studierende: Es ist richtig, dass Flüchtlinge in aller Regel in die Vorabquote für „ausländische Staatsangehörige und Staatenlose, soweit sie nicht Deutschen gleichgestellt sind“ (§ 7 BerlHZG) fallen. Für diese Personen sind je nach Hochschule 5-8% reserviert. Das bedeutet aber keineswegs automatisch schlechtere Chancen, da ja auch nur ein bestimmter Personenkreis über diese Vorabquote einen Studienplatz bekommen kann. Die Situation ist je nach Studienfach und Nachfrage unterschiedlich, aber kann auch besser sein als über die Hauptquote. Es ist vielmehr eine Frage der Relation von Bewerbungen und Plätzen.
Richtig ist aber, dass Studienplätze insgesamt ein knappes Gut darstellen, auch wenn Berlin hier in den vergangenen Jahren erheblich Plätze ausgebaut hat, im Gegensatz zu anderen Bundesländern. An dieser grundsätzlichen Problemlage müssen wir vor dem Hintergrund des verstärkten Flüchtlingszustroms arbeiten.
Junge syrische Flüchtlinge, die zunächst in das Schulsystem integriert werden und in Deutschland das Abitur machen, fallen dann nicht unter die Vorabquote. Wohl aber deutsche Staatsangehörige, die im Ausland ihren Schulabschluss machen.
Haben Sie weitere Fragen oder Interesse an Informationsmaterial zu dieser Thematik schreiben Sie uns gern eine Mail an: rainermichael.lehmann@spd.parlament-berlin.de
Grüße,
Ihr Rainer-Michael Lehmann