Frage an Rainer Fornahl von Ralph L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Fornahl,
Die Ministerien für Familie, Justiz und Wirtschaft planen eine Verschärfung des TMG zwecks Bekämpfung der Kinderpornografie. Das Ziel dieser Initiative ist begrüßenswert, die geplanten Mittel dagegen allerdings nicht.
Unter Experten sind die folgenden Punkte weitgehend unstrittig:
- das bestehende Angebot für Kinderpornografie ist überwiegend privat (also nicht kommerziell) und über das Internet nicht zugänglich und wird demnach durch die geplanten Maßnahmen überhaupt nicht behindert;
- der Zugriff auf die wenigen öffentlich erreichbaren Angebote sollte statt durch die Sperrung des Zugriffs für Nutzer besser durch die zwangsweise Abschaltung dieser Angebote geschehen;
- die Kriminalisierung des Zugriffs auf solche Angebote trifft in erster Linie Benutzer, die versehentlich auf einen verschleierten Verweis klicken, ferner trifft sie Aktivisten, die durch Suche nach solchen Angeboten das Ziel verfolgen, diese den Providern und Strafverfolgungsbehörden zu melden, um deren Abschaltung zu erreichen;
- die Maßnahme ist weitgehend wirkungslos bei Benutzern, die in der Lage sind, einen Browser grundlegend zu konfigurieren;
- die Maßnahme ist reine Symbolpolitik, da den Verantwortlichen Berater zur Seite stehen, denen die o.g. Tatsachen bekannt sind;
- die Maßnahme ist anfällig für Missbrauch, eine Kontrolle der Sperrliste des BKA ist nicht vorgesehen, niemand hindert das BKA daran, andere missliebige Inhalte auf den Index zu setzen,
- die Maßnahme ist verfassungswidrig und wird aller Voraussicht nach durch das BVG ohnehin kassiert, was sicher allen Beteiligten klar ist - im Klartext bedeutet das, dass es mit dem geplanten Gesetz nur um Wahlkampf geht.
Ich würde Sie bitten, zu den o.g. Punkten einzeln Stellung zu nehmen, da Ihre Aussagen dazu (nicht nur für mich) wahlentscheidend sind. Ferner bitte ich Sie darum, unverzüglich wirklich etwas gegen Kinderpornografie zu tun - setzen Sie sich für die Abschaltung der entsprechenden Server ein. MfG Ralph Lehmann
Sehr geehrter Herr Lehmann,
vielen Dank für Ihre Fragen zu einem Thema, das viele Menschen bewegt. Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen ist eine wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft. Herstellung, Verbreitung und Besitz von Kinderpornographie haben wir in den letzten Jahren lückenlos unter Strafe gestellt. Um Kinder zu schützen und die Verbreitung von kinderpornographischen Inhalten zu bekämpfen, müssen wir weitere Wege finden. Mit dem kürzlich verabschiedeten Gesetz gehen wir einen solchen Weg.
Mit dem Gesetz verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten im Internet zu erschweren. Auch wir wissen, dass versierte Nutzer die Sperre umgehen werden können. Mit den jetzt beschlossenen Regelungen zur Sperrung und zur Weiterleitung an Stopp-Seiten werden wir aber die Hemmschwelle erhöhen, sich Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten anzuschauen.
Seiten mit Kinderpornographie, die sich auf deutschen Servern befinden, werden bereits heute von den Internetprovidern heruntergenommen. Im Ausland ist dieser direkte Zugriff nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugriffssperren.
An dem ursprünglichen Gesetzentwurf gab es von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch im Rahmen einer Expertenanhörung vielfältige Kritik. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese Argumente sehr ernst genommen. Wir haben daher wichtige Änderungsvorschläge gemacht, die wir gegenüber der CDU/CSU-Fraktion auch durchsetzen konnten. Damit sind wir meines Erachtens zu einem Ergebnis gelangt, mit dem wir sowohl die Verbreitung von Kinderpornographie bekämpfen als auch den Schutz der Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern im Internet gewährleisten. So haben wir nun, wie meine Fraktion es gefordert hat, ein Spezialgesetz beschlossen, um ganz eindeutig klarzustellen, dass sich die Möglichkeit der Sperrung ausschließlich auf Seiten mit kinderpornographischem Inhalt bezieht.
Sie sprechen in Ihrer E-Mail eine mögliche Kriminalisierung von Nutzern an, die versehentlich auf entsprechenden Seiten landen. Da das Gesetz ausschließlich der Prävention dient, hat die SPD-Bundestagsfraktion durchgesetzt, dass Verkehrs- und Nutzungsdaten, die bei einer Umleitung auf eine Stopp-Seite anfallen, nicht für die Strafverfolgung genutzt werden können. Durch Spam-Mails fehlgeleitete Benutzer werden also keinem Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Auch ist es nicht vorgesehen, bei den Internetprovidern personenbezogene Daten zu speichern.
Darüber hinaus kritisieren Sie eine fehlende Kontrolle des BKA bei der Erstellung der Sperrliste. Auch diese Kontrolle haben wir durch das jetzt beschlossene Gesetz gewährleistet. Die Liste wird durch ein vom Datenschutzbeauftragten des Bundes bestelltes, unabhängiges Gremium regelmäßig kontrolliert. Das Gremium, das mehrheitlich aus zum Richteramt befähigten Personen bestehen muss, kann die Liste jederzeit einsehen und korrigieren, wenn die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Gegen die Aufnahme in die Sperrliste steht der Verwaltungsrechtsweg offen. Zudem gilt der Grundsatz: Löschen vor Sperren. Nur wenn die zulässigen Maßnahmen zur Löschung von Inhalten nicht greifen, werden Seiten auf die Sperrliste des BKA gesetzt.
Mit diesem Gesetz haben wir meines Erachtens Regelungen getroffen, die wirksam die Verbreitung von Kinderpornographie bekämpfen und zugleich die Internetnutzer schützen, rechtsstaatliche Grundsätze sichern und ein transparentes Verfahren ermöglichen.
Trotzdem ist auch dieses Gesetz, wie schon angemerkt, nur ein Schritt, um Kinder vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch zu schützen. Viele weitere Schritte sind notwendig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher Anfang Mai 2009 einen Zehn-Punkte-Plan zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung beschlossen. Damit legen wir ein Konzept vor, was wir weiterhin tun müssen. Auch im Kampf gegen Kinderpornographie sind weitere Maßnahmen notwendig. Diese müssen wir umsetzen und als Gesellschaft deutlich machen, dass wir gegen Kindesmissbrauch konsequent vorgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Fornahl, MdB