Frage an Rainder Steenblock von Günter A. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Steenblock,
wir haben ja nun alle bis zum Erbrechen davon gehört, daß wir für unser Alter vorzusorgen hätten.
Wir haben nichts davon gehört, daß abhängig Beschäftigte gezwungen wurden und werden in eine völlig marode "Versicherung" einzuzahlen, bei der die Leistungen nunmehr nach Haushaltslage Kürzungen erfolgen.
Jeder hat neben den Steuern auch noch ca. 10% seines Einkommens zu zahlen und soll daneben noch für etwas vorsorgen, was doch eigentlich mit der sogenannten Rentenversicherung abgedeckt sein sollte.
Wenn ich alle meine Rentenversicherungsbeiträge über fast 40 Jahre in eine Lebensversicherung eingezahlt hätte, gäbe es keine Vorsorgeprobleme.
So gesehen, ist die Rentenversicherung eine weitere Steuer - mit Glück bekommt man etwas zurück! Sollte der Versicherungsnehmer früh sterben ist die Leistung gleich null.
Bitte vermeiden Sie bei der Antwort den Begriff "Generationenvertrag". Diesen Vertrag gibt es nicht - zumindestens habe ich ihn nie gesehen oder aber sogar unterschrieben.
Günter Allertseder
Sehr geehrter Herr Allertseder,
Sie beschreiben die gesetzliche Rentenversicherung als „völlig marode Versicherung“, deren Leistungen „nach Haushaltslage“ Kürzungen erfahren. Diese Einschätzung teile ich nicht.
Unstrittig ist, dass die gesetzliche Rentenversicherung sich in einer schwierigen Lage befindet. Zwei Entwicklungen sind dafür hauptsächlich verantwortlich:
1. Die demografische Situation in Deutschland ändert sich mit tief greifenden Auswirkungen auf die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die Bevölkerung in Deutschland altert: die geringe Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung verändern den Bevölkerungsaufbau entscheidend. Während heute 44 über 60-jährige 100 Personen im Erwerbsalter gegenüberstehen, werden es im Jahr 2050 78 sein. Durch die höhere Lebenserwartung erhalten außerdem mehr Rentnerinnen und Rentner länger eine Rente.
2. Im Kern ist das finanzielle Problem der Rentenversicherung die Arbeitslosigkeit. Läuft die Wirtschaft gut, ist die Umlagefinanzierung der Rente unproblematisch. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit zahlen weniger Beschäftigte in die Rentenversicherung ein. Bricht die Konjunktur ein und fallen dadurch Arbeitsplätze weg, wird das Geld in den Rentenkassen knapp.
Angesichts der Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft und des Wirtschaftswandels sind Maßnahmen erforderlich, um die Finanzierung der Renten für die Zukunft zu sichern. Dabei sind auch Veränderungen in der Leistungsstruktur unvermeidlich. Der Zwang zu Leistungsminderungen ergibt sich jedoch aus der oben genannten Problematik der verminderten Einnahmebasis in Kombination mit steigenden Ausgaben, nicht aus der Haushaltslage des Bundes. Die Rentenversicherungsbeiträge sind auch keine "weitere Steuer", sondern Beiträge, mit denen spätere Ansprüche begründet werden. Über die Beiträge hinaus decken verschiedene Bundeszuschüsse (die etwa ein Viertel der Gesamtfinanzen ausmachen) den Bedarf der Rentenversicherung an auszuzahlenden Mitteln.
Kernpunkt der 2005 in Kraft getretenen Rentenreform ist eine neue, durch den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor ergänzte Rentenformel. Sie berücksichtigt erstmals das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern bei den künftigen Rentenanpassungen. Dieses Verhältnis wird sich wegen der oben geschilderten zunehmenden Alterung der Bevölkerung verschlechtern. Die Renten werden deshalb künftig langsamer steigen als die Einkommen. Damit das Rentenniveau langfristig nicht zu stark absinkt, wurde eine sogenannte Niveausicherungsklausel eingefügt. Dieses Mindestniveau hat die Funktion einer Untergrenze.
Die gesetzliche Rente wird sich in Zukunft trotz aller Reformansätze stärker zu einer Basisabsicherung entwickeln. Darüber hinaus soll jeder privat oder betrieblich vorsorgen können. Deshalb fördern wir die zusätzliche private Altersvorsorge (Riester-Rente). Die Förderung ist so angelegt, dass sie auch für die in Zukunft Älteren den Lebensstandard sichern kann, wenn sie fester Bestandteil von deren Vorsorge wird.
Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten außerdem eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis der Rentenversicherung für überfällig. Es müssen endlich alle Bevölkerungsgruppen (wie z.B. Beamte und Selbständige) und alle Einkommensarten (wie z.B. Vermögenseinkommen, Gewinne und Mieteinkünfte) in das System einbezogen werden.
Eine komplette Umstellung der Altersvorsorge auf private Lebensversicherungen lehnen wir ab. Wir wollen keinen Bruch mit dem Prinzip der solidarischen und paritätischen (d.h. je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragenen) Finanzierung der Sozialversicherungen.
Ziel der von uns bisher umgesetzten Reformen bleibt die Wahrung der Generationengerechtigkeit: die Jüngeren dürfen nicht durch hohe Beiträge überfordert werden, für die Älteren muss die Rente verlässlich sein. Für dieses Ziel werden wir weiter arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen,
Rainder Steenblock