Frage an Rainder Steenblock von Salvatore P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Steenblock,
Warum steigt denn die Zahl der Menschen, die z.B. von der kostenlosen Lebensmittelausgabe auf den so genannten Tafeln abhängig sind, während auf der anderen Seite die Zahl der Vermögensmillionäre steigt?
Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/138903.html
Mit freundlichen Grüßen
Salvatore Pantó
Sehr geehrter Herr Pantó,
dass die Zahl der Menschen, die auf kostenlose Lebensmittel angewiesen sind, steigt, ist auch hier im Kreis Pinneberg nicht zu übersehen: die gemeinnützige Uetersener Tafel z.B. versorgt inzwischen schon über 400 bedürftige Menschen, darunter mehr als 70 Kinder. Die Planung der Tafel-Verantwortlichen ist damit um mehr als das Doppelte übertroffen worden.
Zahlen aus verschiedenen Studien belegen diese Entwicklung: die soziale Ungleichheit hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verstärkt. Vermögen und Einkommen sind in der Bundesrepublik höchst ungleich verteilt: den reichsten zehn Prozent der Haushalte gehören inzwischen knapp fünfzig Prozent des Vermögens; die unteren 30 Prozent haben keinen (statistisch messbaren) Anteil am Vermögen.
Während der Reichtum weiter wächst, steigt auch die Armut. Als arm gilt, wer mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens auskommen muss. Besonders alarmierend: am schnellsten breitet sich die Armut unter den Schwächsten aus, den Kindern. 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben heute auf Sozialhilfeniveau. Sie sind damit die mit Abstand größte gesellschaftliche Gruppe, die von Armut betroffen ist. Die „Infantilisierung der Armut“ hat nicht nur eine materielle Seite, sie zieht eine breite Palette weiterer Einschränkungen nach sich. SchülerInnen aus sozial schwachen Familien haben z.B. deutlich schlechtere Chancen auf einen höheren Schulabschluss.
Soweit die Diagnose. Was dagegen tun? Wenn, wie viele Berichte verdeutlichen, das Armutsrisiko mit Arbeitslosigkeit korrespondiert, muss sich eine Politik, die daran etwas ändern will, an der Schaffung von Arbeitsplätzen orientieren. Arbeitsplätze, von denen die Menschen auch leben können. Doch auch die, die der Arbeitsmarkt nicht braucht, müssen ein Leben führen können, das ihnen soziale Teilhabe ermöglicht.
Wie die seit den siebziger Jahren steigende Spaltung der Gesellschaft zeigt, besteht zwischen der Zunahme von Reichtum und Armut offenbar ein Zusammenhang, der in der Struktur und Dynamik des globalisierten Kapitalismus liegt. Eine Politik, die den Staat nur noch als Wirtschaftsstandort sieht und sich an den Erfordernissen des Weltmarkts orientiert, führt dazu, dass die Zunahme des Reichtums auch ein Mehr an Armut produziert. Der Wettlauf um die besten Standortbedingungen verliert die Bedürftigsten aus dem Blick und treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. Sozial gerechte Politik bedeutet, die Verteilungsfrage (neu) zu stellen: ohne eine Umkehr der aktuellen Politik der Umverteilung von unten nach oben wird soziale Gerechtigkeit nicht herzustellen sein.
Herzliche Grüße,
Rainder Steenblock