Frage an Philipp Hartewig von Franz F. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Hartewig,
in Ihrem Kandidateninterview vom MDR sprechen Sie von „bauen, bauen, bauen“ in Bezug auf die Wohnungssituation in den Großstädten. Wie kann man das konkret erreichen?
Ihre Partei hat sich zudem für die Abschaffung von Artikel 15 GG ausgesprochen. Ist das überhaupt möglich und was ist der Nutzen davon?
Sehr geehrter Herr Forstner,
zu Ihrer ersten Frage möchte ich mich kurz fassen: Verfahren beschleunigen, Grunderwerbssteuer senken/ alternativ Freibetrag schaffen, Zweckbindung der Bundesmittel zur Wohnungsbauförderung und den Neubau von Wohnungen attraktiver machen durch eine Erhöhung der jährlichen Abschreibungsrate für Gebäude von zwei auf drei Prozent.
Bei Artikel 15 GG hole ich etwas länger aus:
Was besagt Artikel 15 GG?
Nach Artikel 15 GG kann Privateigentum, konkret als Grund und Boden, Naturschätze oder Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung gegen Entschädigung zum Gemeineigentum erklärt, d.h. vergesellschaftet werden. Der Begriff der Vergesellschaftung ist lediglich ein anderes Wort für Sozialisierung. Die „Gemeinwirtschaft“ ist dabei allerdings nicht mit einer „Verstaatlichung“ zu verwechseln. Artikel 15 GG ist insofern getrennt von Artikel 14 GG zu verstehen. Eine Verstaatlichung ist nicht zwingend eine Sozialisierung. Es muss dazu vielmehr noch eine Überführung in das Gemeineigentum zum Zwecke der Gemeinwirtschaft erfolgen. Die Entschädigungsregel des Artikel 15 GG ist ähnlich zu Artikel 14 Abs. 3 GG, der sich mit einer Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit befasst, ausgestaltet.
In der Geschichte der Bundesrepublik wurde von Artikel 15 GG bisher kein Gebrauch gemacht. Geringen Einfluss hat er maximal möglicherweise als sogenanntes Abwehrrecht auf Nichtvergesellschaftung.
Um Artikel 15 GG an einem Beispiel zu erklären: Wenn der Staat der Überzeugung ist, dass Brot und Brötchen zur Versorgung der Bevölkerung so essentiell sind und eine Ernährung der Bevölkerung durch private Bäckereien nicht gewährleistet werden könne, dann könnte man sich auf Artikel 15 GG berufend als Staat alle Bäckereien einverleiben und als Staatsbäckereien mit festen Preisen weiterführen.
Artikel 15 GG ging in seinem Wesen aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919 hervor. Die Überführung von Unternehmen in Gemeineigentum wurde in der Nachkriegszeit von vielen (insbesondere der SPD) als zulässiges Mittel der Wirtschaftspolitik betrachtet. Das Grundgesetz schreibt zudem keine spezielle Wirtschaftsordnung vor.
Kann man Artikel 15 GG überhaupt abschaffen?
Mehrfach durfte ich auch in den letzten Tagen das „Argument“ lesen, man könne doch Artikel 15 GG in seiner Position im Rahmen der Grundrechte von Artikel 1 bis 20 GG gar nicht abschaffen. Diese Aussage ist allerdings falsch. In Artikel 79 Abs. 3 GG heißt es: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche (…) die in den Artikeln 1 UND 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“. Natürlich heißt die Formulierung „und“ statt „bis“ nicht, dass man sämtliche Grundrechte dazwischen abschaffen könnte. Dabei wird oft auf eine Ausgestaltung des Menschenwürdekerns aus Artikel 1 GG verwiesen. Artikel 15 GG betrifft aber (soweit mir bekannt auch unstrittig) nicht den Menschenwürdekern. Auch würde die Abschaffung nicht gegen die zentralen Prinzipien aus Artikel 20 GG verstoßen. Artikel 15 GG ist damit, sofern auch entsprechende 2/3-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat vorliegen, abschaffbar.
Warum ist Artikel 15 GG nicht zeitgemäß?
Artikel 15 GG passt nicht zur sozialen Marktwirtschaft. Er ist ein Verfassungsrelikt und wurde zurecht nie angewandt. Er passt auch nur bedingt in die Gesamtkonzeption des GG, die von der freien Persönlichkeitsentfaltung und der Eigenverantwortlichkeit des Individuums ausgeht. Die Verstaatlichung ganzer Wirtschaftssektoren ist außerdem wohl nicht mit Artikel 119 AEUV vereinbar, wonach die Mitgliedstaaten zu einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet sind.
Was soll das bringen?
Zwar wurde Artikel 15 GG bisher nicht angewandt. Dennoch stützen sich einige Initiativen zur Enteignung von Wohnungen auf Artikel 15 GG. Eine Streichung des Artikels würde daher Sicherheit schaffen und eine abstrakte Angst vor der Sozialisierung ganzer Betriebe und Branchen ganz vom Tisch nehmen. Weiterhin würde das Grundgesetz von einer nicht angewendeten und wohl nicht nutzbaren Regelung befreit. Wir stärken damit weiter das Eigentum, was zurecht ein elementares Grundrecht ist.
Aus politischer Sicht sollten wir in der Debatte zu Enteignungen von Wohnraum, auch in Bezug auf Einschränkungen wie Mietdeckel, nicht vergessen: Durch Enteignungen oder Mietdeckel entsteht keine neue Wohnung. Viele Enteignungen kosten nur Milliarden an Entschädigungen. Wohnungsnot in den jeweiligen Städten ist die Ursache, steigende Mieten nur ein Symptom davon. Wir wollen als Freie Demokraten die Wohnungsnot durch Neubau bekämpfen, private Investoren gewinnen und es z.B. durch einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer schaffen, dass auch Menschen mit einem geringeren Einkommen, eine Alterssicherung in Form von mietfreiem Wohnen durch eine Eigentumswohnung oder ein kleines Haus erreichen können.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten. Ansonsten können Sie mich gern unter 2019@hartewig.de kontaktieren.
Liebe Grüße
Philipp Hartewig