Frage an Petra Pau von Uwe R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Pau,
am 04.11.2008 wurde im Bundestag eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen.
Grundsätzlich gut daran finde ich, dass das einmütig mit sehr großer Mehrheit beantragt und beschlossen wurde. Insofern fand ich Ihre Rede auch sehr gut. Nicht verstanden habe ich allerdings, dass Sie die Uneinigkeit in Ihrer Fraktion nicht einmal erwähnten. Die elf Fraktionsmitglieder, die nicht mit abstimmten, taten das ja nicht, weil sie antisemitisch sind, sondern, weil sie den Text für falsch halten und sich überrumpelt fühlten. Dazu möchte ich eine Antwort von Ihnen bekommen. Meine weitere Kritik : Die Erklärung kommt viel zu spät. Schon vor etlichen Jahren hätte der Bundestag das tun müssen. Zweitens: Der Text der Resolution ist mit drei Seiten viel zu lang. Der Text wird daher wenig Beachtung finden. Drittens ist der Inhalt des Textes teilweise problematisch. Und deswegen ist es gut, dass der Text in der Öffentlichkeit wenig Beachtung finden wird.
Was ist zum Beispiel Staatsräson? Mit diesem Wort kann ich nichts anfangen. Ich habe den Eindruck, dass Regierungen bestimmen, was Staatsräson ist und ich als Bürger mich ungefragt anschließen muss. Das lehne ich ab. Ich habe erhebliche Probleme mit den handelnden Regierungen Deutschlands, Israels und des "Staates" Palästina.
Meine Verurteilung palästinensischer Granaten auf Israel speist sich aus dem Fundament der Menschenrechte. Meine Kritik an der Regierung Israels und der militärischen Besatzung im so genannten "Westjordanland" mit Straßensperren und Sonderstraßen für bestimmte Nationalitäten speist sich ebenso aus den Erfahrungen mit Antisemitismus. Beide Seiten müssen sich ihre jeweiligen Rechte und die jeweilige Trauer zu gestehen. Das fehlt leider völlig. Aber darum kann es im Bundestag nicht gehen. Wir haben vor unserer Haustür zu kehren. Auch nicht Irans Präsident ist das Hauptthema, sondern der Antisemitismus in der BRD. Das ist im Resolutionstext ungenügend berücksichtigt.
MfG
Sehr geehrter Uwe Reinicke,
meine grundsätzliche Position zu Israel und zum Nah-Ost-Konflikt habe ich im Mai 2008 im Bundestag erläutert. Sie können meine Rede aus Anlass "60 Jahre Israel" via http://de.youtube.com/watch?v=AYR2Q0mXnMU nachvollziehen.
Nun hat der Bundestag versucht, eine gemeinsame Erklärung gegen den aktuellen Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland zu verabschieden.
Dazu gibt es eine Vorgeschichte. Meine Sicht darauf habe ich in einer "Aktuellen Notiz" beschrieben. Auch diese können Sie nachlesen unter http://www.petrapau.de/16_bundestag/dok/081024_an_antisemitismus.htm .
Mit einem Verfahrenstrick der Fraktion DIE LINKE gelang es am 4. November 2008 im Bundestag, trotz aller Partei-Konkurrenz, ein gemeinsames Signal gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben zu beschließen.
Die öffentliche Botschaft lautet allerdings: "Gegen elf Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE." Das finde ich fatal. Und ich erfahre inzwischen, dass dies Irritationen ausgelöst hat, deren Folgen noch nicht absehbar sind.
Natürlich enthält ein Text, der zwischen fünf Parteien unterschiedlicher Couleur ausgehandelt wurde, Formulierungen, die mitnichten originär links sind. Auch ich kann mit der so genannten Staatsräson nichts anfangen.
Aber zurück zum Eigentlichen: Es ging um ein gemeinsames starkes Signal gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben. Erst wollte die Union dies verhindern. Dann scherten einige Linke aus.
Wer dies warum tat, das fällt in aller Regel nicht ins Gewicht, jedenfalls nicht in den allgemeinen Medien. Und so bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Ein Meisterwerk der Linksfraktion war dies bestimmt nicht.
Mit solidarischen Grüßen
Petra Pau