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Frage von Bernd B. •

Frage an Petra Pau von Bernd B. bezüglich Staat und Verwaltung

Hallo, Frau Pau

bei TV-Berichterstattungen über Bundestagssitzungen sind wir sehr oft von der geringen Anzahl der anwesenden Abgeordneten überrascht, wobei gelegentlich dabei noch der Eindruck entsteht, dass die Kamerasteuerung bewußt schnell über die Abgeordneten geführt wird. Besonders auffällig ist diese Situation an Freitagen.
Gibt es nicht eine grundsätzliche Teilnahmeverpflichtung ? Kann denn jeder Abgeordnete selbst über seine Teilnahme entscheiden ? Warum sind z.B. bei Gedenkveranstaltungen immer die Reihen gut gefüllt ? Liegt das Fehlen an den Standortproblemen Bonn - Berlin ? Oder an den vielen Nebentätigkeiten einiger Abgeordneten ?
Im Zusammenhang mit diesen Beobachtungen, den immer stärkeren Ausbau des EU-Parlamentes in Brüssel und dem Sparzwang sollte doch einmal über eine Reduzierung der Abgeordnetenzahl auf ca. 400 Personen nachgedacht werden ! Wie steht DIE LINKE zu solchen Gedanken ?

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Sehr geehrter Bernd Berger,

Ihre Beobachtung trügt nicht und ich werde häufig gefragt, warum an Plenar-Debatten häufig so wenig Abgeordnete teilnehmen. Sachlich gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen tagen parallel zum Plenum zumeist auch noch Fachausschüsse. Die davon betroffenen Abgeordneten können sich aber schlecht teilen. Zum zweiten macht es nicht unbedingt Sinn, wenn an Spezialdebatten, zum Beispiel über die dritte Änderung des 4. Gesetzes über die Reinhaltung von Spezialschmierstoffen…, alle Abgeordneten teilnehmen. Auch ich nutze solche Zeiten zuweilen sinnvoller, indem ich Gewerkschaftsvertreter empfange oder Bürgerinitiativen oder Besuchsgruppen aus dem Wahlkreis.

Gleichwohl haben Sie natürlich Recht. Ein fast leerer Plenarsaal ist keine Werbung für das Parlament und die Demokratie. Deshalb wurde mit der Geschäftsordnung des Bundestages eine so genannte Kernzeit vereinbart. Das ist in Sitzungswochen jeweils Donnerstag von 9 bis 13 Uhr. In dieser Zeit dürfen keinerlei andere Beratungen stattfinden, so dass alle Abgeordneten an der Plenarsitzung teilnehmen können. In dieser „Kernzeit“ werden dann auch vorrangig die Themen behandelt, die für die meisten Bürgerinnen und Bürger besonders wichtig erscheinen – jedenfalls aus Sicht der Fraktionen.

Nun könnte man einwenden, dass es dann vielleicht sinnvoller wäre, nur die Kernzeit-Debatten im Fernsehen zu übertragen. Ich teile diese Auffassung allerdings nicht, weil ich finde, dass alle Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf haben, sich möglichst umfassend über das Parlamentsgeschehen zu informieren – auch dann, wenn es um vermeintliche Spezialthemen geht.

Nun zu Ihrer Abschlussfrage: Ich halte nichts von einer zahlenmäßigen Verkleinerung des Bundestags. Denn das würde praktisch bedeuten: Man müsste die Wahlkreise vergrößern und das hieße auch, dass ein Abgeordneter bzw. eine Abgeordnete für noch mehr Wählerinnen bzw. Wähler „zuständig“ wäre. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger liefe das auf ein weniger an Demokratie hinaus. Und für mich hieße das: Ich hätte weniger Zeit für Marzahn-Hellersdorf.

Der Kostenfaktor wird ebenfalls oft überschätzt. Nach den Berechnungen, die ich kenne, zahlen Bürgerinnen und Bürger für den derzeitigen Bundestag jeweils knapp ein Euro pro Jahr. Auch die zunehmende Bedeutung der EU-Ebene halte ich für kein zwingendes Argument, den Bundestag zu verkleinern. Erstens ist die Europäische Union für viele Bürgerinnen und Bürger ein fernes Buch mit sieben Siegeln, während der Bundestag noch eher etwas „Greifbares“ ist. Und zweitens müssen alle EU-Verordnungen vom Bundestag „bearbeitet“ werden, bevor sie zu deutschem Recht werden. Das heißt: Der Aufwand für die Abgeordneten des Bundestages sinkt nicht, er nimmt zu.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau

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