Frage an Petra Müller von Klaus S. bezüglich Finanzen
Guten Tag Frau Müller,
seit den ersten 100 Tagen Regierung hat die schwarz-gelbe Koalition schlechte Kritiken, die übrigen Parteien mit Ausnahme der Grünen kommen auch auf keinen besonderes Lob durch die Medien.
Meinen Sie:
wird von den Medien das Meiste schlecht geredet und zu wenig zur Sache informiert?
werden die Argumente speziell der F.D.P. unzureichend wiedergegeben trotz entsprechender Bemühungen seitens der Parteirepräsentanten?
Ist niemand in den Regierungs- Parteien in der Lage, die getätigten Pläne und Entscheidungen inhaltlich zu begründen und kommt deswegen die Handlungsweise beim Publikum nicht an?
Wieso hört man kaum von dem, was im Wahlprogramm angekündigt war und von dem, was im Vergleich dazu durchgesetzt oder umgesetzt werden konnte? Das müsste doch der Maßstab für jede Parteiarbeit sein.
Woran liegt es also, dass die Regierungspolitik dermaßen schlecht verkauft wird, so daß man annehmen muss, sie ist wirklich schlecht - da wenig über Inhalte gesprochen wird, entstehen nur Bauchgefühle und da muss sich gerade Ihre Partei über negative Resonanz nicht wundern.
Wenn jemand wie Herr Westerwelle meint, er macht alles richtig (keine Selbstkritik am 6.1.)- wieso ist er nicht in der Lage, dieses auch darzustellen?
Mit freundlichem Gruss
Klaus Schleicher
Sehr geehrter, lieber Klaus Schleicher,
der 27. September war für uns, die FDP, ein großer Tag mit einem Rekordergebnis über das wir uns alle sehr gefreut haben. Heute, ein Jahr später, wurde und wird viel über den programmatischen Kurs diskutiert.
Es steht wohl außer Frage, dass der Start in die Koalition nicht geglückt ist. Die Erwartungen an die Liberalen waren hoch und konnten noch nicht alle eingelöst werden. Jedoch, der in Teilen der Medien und damit der Öffentlichkeit erweckte Eindruck, die Koalition habe bisher kaum gehandelt und unsere Handschrift sei zu wenig erkennbar, stimmt nicht.
Nehmen wir das Beispiel Wirtschaftspolitik: Die Konjunkturaussichten Anfang 2010 haben sich im Laufe des Jahres zu einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung entwickelt. Für den Aufschwung gibt es natürlich viele Gründe: unsere innovative Exportwirtschaft, gut ausgebildete und fleißige Arbeitnehmer, verantwortungsvolle Unternehmer.
Am Aufschwung hat aber auch die christlich-liberalen Koalition ihren Anteil. Wir haben Familien finanziell gestärkt, Unternehmen entlastet und damit Wachstum gefördert. Beispielsweise mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Familien mit Kindern werden durch die Anhebung des Kindergeldes auf mind. 184,- Euro um insgesamt 4,6 Mrd. Euro entlastet.
In Ihrer Anfrage sprechen Sie auch das Thema Wahlversprechen an. Die FDP steht für eine Vielzahl an Themen, unter Anderem sicherlich für eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung.
Als ersten Schritt zur Steuervereinfachung hat die Koalition aus FDP und Union ein Paket von 37 Maßnahmen vorgelegt. Steuervereinfachung wird es auf Druck der FDP nicht nur für die Steuerverwaltung, sondern vor allen Dingen für die Bürgerinnen und Bürger geben. Darüber hinaus profitieren vom Bürokratieabbau auch die Unternehmen in Deutschland. Durch die zunehmende Umstellung auf moderne Informationstechnik sinken der Erklärungs- und Prüfungsaufwand und dadurch auch die Kosten der Wirtschaft für Bürokratieaufwand um jährlich ca. vier Milliarden Euro.
Die Bürger werden durch verschiedene Maßnahmen um rund 590 Millionen. Euro entlastet, vor allen Dingen Arbeitnehmer und Familien. Aufgrund der vordringlichen Aufgabe der Haushaltskonsolidierung mussten in diesem Jahr die Maßnahmen wegen der Einnahmeausfälle für den Bundeshaushalt begrenzt werden. Die steuerliche Entlastung war allerdings auch nicht das Ziel dieses ersten Steuervereinfachungsschritts. Zielsetzung war es, den Bürgerinnen und Bürger bei der Abgabe ihrer Steuererklärung durch gezielte Maßnahmen zu helfen, die das Ausfüllen der Formulare erleichtern und das Steuerrecht vereinfachen. Diesem ersten Schritt müssen weitere in dieser Legislaturperiode folgen. Im nächsten Jahr wird die Koalition die Vereinfachung des Steuerrechts insbesondere für Unternehmen in Angriff nehmen. Auch die Steuerentlastung bleibt auf der Tagesordnung für die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Vorrang hat zunächst die Haushaltskonsolidierung, aber die FDP-Bundestagsfraktion ist entschlossen, sich die Spielräume für eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen bis 2013 zu erarbeiten.
Einige Steuervereinfachungsmaßnahmen sind besonders hervorzuheben:
- Von der Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrags von derzeit 920 Euro auf 1.000 Euro sind rund 22 Millionen Arbeitnehmer betroffen. Künftig müssen Werbungskosten erst dann nachgewiesen werden, wenn sie insgesamt 1.000 Euro überschreiten. Arbeitnehmer werden dadurch um 330 Mio. Euro entlastet. Davon profitiert ein Großteil der Steuerzahler. Dies sorgt auch dafür, dass die Steuererklärung nicht mehr so zeitintensiv ist.
- Die Einkommensteuererklärung kann künftig wahlweise auch nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden.
- Die Bürgerinnen und Bürger bekommen künftig eine vorausgefüllte Steuererklärung des Finanzamts, die dann ergänzt und ggf. korrigiert werden kann.
- Das Besteuerungsverfahren wird grundlegend modernisiert, so dass künftig eine völlig papierlose Kommunikation zwischen Steuerzahlern und Finanzamt möglich wird.
- Die Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten wird stark vereinfacht, so dass eine Seite der Anlage Kind bei der Steuererklärung entfällt. Dies betrifft die Eltern von 1,2 Millionen Kindern.
- Die Eltern von volljährigen Kindern, die sich in der Ausbildung befinden, müssen heute im Rahmen des Kindergeldantrags und in der Einkommensteuererklärung die Einkünfte und Bezüge ihrer Kinder erklären. Dieser immense Aufwand entfällt künftig, indem auf die Einkommensüberprüfung der Kinder verzichtet wird. Profitieren werden u.a. die Eltern der Kinder, die BAföG-Bezieher sind und sich etwas hinzuverdienen.
- Die Berechnung der Entfernungspauschale wird stark vereinfacht. Die heute notwendige tageweise Berechnung entfällt und wird durch eine jährliche ersetzt.
- Arbeitnehmer mit geringem Jahreslohn müssen künftig unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt keine Steuererklärung mehr abgeben. Ein Erfolg, wie ich finde – auch wenn wir sicherlich noch nicht gänzlich am Ziel sind.
Ein weiteres komplexes Thema ist die Gesundheitspolitik.
Die FDP ist angetreten mit dem Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nachhaltig und konjunkturunanfällig auszugestalten. Die einkommensabhängige Finanzierung zeigt ja nun gerade in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs und steigender Arbeitslosigkeit ihre gravierende Schwäche: Die gesetzliche Krankenversicherung hat mit konjunkturbedingten Einnahmeausfällen zu kämpfen, die wir in diesem Jahr mit einen einmaligen Bundeszuschuss in Höhe von 3,9 Mrd. Euro abfedern müssen. Eine Erhöhung des bundesweit einheitlichen Beitragssatzes, um steigenden Ausgaben oder Einnahmeausfällen zu begegnen, ist generell Gift für den Erhalt von Arbeitsplätzen und die konjunkturelle Entwicklung. Höhere Krankenkassenbeiträge verteuern im aktuellen System über die Lohnzusatzkosten den Faktor Arbeit und kosten damit Arbeitsplätze oder verhindern die Entstehung neuer Beschäftigung. Aus dem Teufelskreis von steigenden Beiträgen, höheren Lohnzusatzkosten, gestiegener Arbeitslosigkeit, Einnahmeausfällen bei den Krankenkassen und wiederum höheren Beiträgen bzw. sogar Leistungskürzungen können wir nur über eine konjunkturunanfälligere Finanzierung der Krankheitskosten aussteigen. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, den Arbeitgeberbeitrag konstant zu halten.
Diese Maßnahme als Ausstieg aus der Solidarität zu titulieren, geht an den Erfordernissen einer verlässlichen Finanzierung, die Arbeitsplätze erhält, schafft und nicht kostet, vorbei. Im Übrigen hätte unter einer solchen Argumentation der Ausstieg aus der Solidarität unter einer rot-grünen Bundesregierung begonnen. Schon seit 01. Juli 2005 werden die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr je zur Hälfte von Arbeitgebern und –nehmern getragen. Mitglieder der GKV müssen seither einen zusätzlichen Beitragssatz von 0,9 Prozent aufbringen, ohne dass sich der Arbeitgeber daran beteiligt. Mit dem 01. Januar 2009 ist dieser Sonderbeitrag Teil des bundesweit einheitlichen Beitragssatzes geworden. Davon tragen Arbeitnehmer aktuell 7,9 Prozentpunkte und Arbeitgeber 7,0 Prozentpunkte. Es ist darüber hinaus falsch zu behaupten, die FDP wolle gleiche Gesundheitsprämien für alle. Die Krankenkassen sollen die Höhe der Prämie im Wettbewerb festlegen. Dafür müssen sie ihre Beitragsautonomie zurück erhalten. Für staatliche Lenkung und Zentralismus stehen andere, nicht die FDP.
Sehr geehrter Herr Schleicher, Sie sehen es ist bereits einiges passiert, aber einiges muss auch noch passieren!
Ich danke Ihnen für Ihre Frage und für Ihr Vertrauen.
Beste Grüße
Petra Müller