Frage an Petra Müller von Simone W. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Müller,
ich möchte Sie etwas zu den Jugendämtern, fragen:
Wie kann es sein, dass Deutschland schon fünfmal vom Europ. Gerichtshof f. Menschenrechte (EGMR) wegen gerichtlich erwiesen falscher Behandlung von Familien durch Jugendämter verurteilt worden ist? Prof. Dr. Uwe Jopt, renommierter entwicklungspsych. Gutachter, wirft gar der gesamten Institution wohlmeinenden Dilletantismus vor.
Im „Fall Görgülü“ wurde ein EGMR-Entscheid jahrelang vom Jugendamt und sogar einem OLG ignoriert, ohne dass dies bis dato Folgen für die beteiligten Beamten gehabt hätte.
Welche Kontrollgremien gibt es vor Ort, die die Jugendämter überwachen? Welche entwicklungspsychologische Ausbildung sowie personelle/finanzielle Ausstattung haben/benötigen Jugendämter und andere Stellen, um im Sinne des Kindeswohls und nicht der Elternentrechtung arbeiten zu können? Wie fällt der Vergleich mit anderen Ländern aus? Wo genießen Jugendämter noch den Ruf als wenigstens subjektiv inkompetent empfundene „Kinderklaubehörde“ ?
Liegt das Problem vielleicht nicht im Einzelfall der falsch angewandten Inobhutnahme / ignorierten Kindesmisshandlung etc. begründet, sondern in der Amtsauffassung der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in der Bundesrepublik, wie zahlreiche Protestseiten im Netz deutlich erkennen lassen? Sind Jugendämter zu einem Großteil einfach überfordert und agieren, wenn nicht „gar nicht“, in Panik allzu oft verkehrt, ohne Rücksicht auf Verluste?
- http://de.wikipedia.org/wiki/Fall_Görgülü
- http://www.karin-jaeckel.de/aktuelles/jopt.pdf
- http://www.faz.net/s/Rub867BF88948594D80AD8AB4E72C5626ED/Doc~E08BB7E957FFF4DBB89448391292BD291~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Hochachtungsvoll,
Simone Weidmann
Sehr geehrte, liebe Frau Weidmann,
Sie sprechen ein wichtiges und emotionales Thema an. Der Schutz unserer Kinder. Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt von einer bewusst gestalteten Politik für Kinder und Jugendliche ab. Kinder- und Jugendpolitik ist als Bereich der öffentlichen Fürsorge nicht nur eine Aufgabe des Bundes. Kinder und Jugendliche sind von vielen politischen Entscheidungen betroffen. Es handelt sich um eine Querschnittsaufgabe, die verschiedenste Gremien auf kommunaler, Landes- und Bundesebene berührt, aber auch Verknüpfungen zur EU, zum Europarat sowie dem internationalen Bereich wie etwa bei der UN-Kinderrechtskonvention aufweist.
Wir müssen verlässliche Lebenswelten für die junge Generation schaffen. Der Schutzauftrag, Kinder vor einer Gefährdung zu bewahren, ist eine wesentliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe. Die Jugendämter sollten in der Lage sein, die Situation eines gefährdeten Kindes und die der Familie zutreffend zu analysieren und auf dieser Basis die erforderlichen Maßnahmen - nötigenfalls eine Inobhutnahme - durchzuführen. Bei einer Kindeswohlgefährdung sind die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe angehalten, sich ein umfassendes Bild über den Lebensalltag von Kindern im Familienkontex zu bilden. Sie haben die Kinder in Augenschein zu nehmen und frühzeitig präventive Hilfe in dem erforderlichen Maß anzubieten. Dies erfordert eine angemessene Ausstattung der Jugendämter. Für die vom Kindeswohl befassten Berufsgruppen bei den Jugend- und Gesundheitsämtern, bei der Staatsanwaltschaft und den Familiengerichten sollten gemeinsame Fort- und Weiterbildungsangebote vorgesehen werden, auch um die Versorgungslücke von risikobehafteten Teilgruppen unterhalb der Eingriffsschwelle des allgemeinen Sozialdienstes durch die Kombination verschiedener Maßnahmen so zu schließen, dass diese Familien nicht durch das soziale Netz fallen. Die Qualität der Kinder- und Jugendhilfe sollte in regelmäßigen Abständen evaluiert und die Dienst- und Fachaufsicht gestärkt werden. Die Forschung zu Indikatoren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Kindeswohlgefährdung verweisen, sollte intensiviert werden. Wir werden das Kinder- und Jugendhilfesystem und seine Rechtsgrundlagen im SGB VII auf Zielgenauigkeit und Effektivität hin überprüfen. Wir wollen frühe, schnelle und unbürokratische Hilfezugänge durch hoch qualifizierte Leistungsangebote und den Abbau von Schnittstellenproblemen zwischen der Jugendhilfe und anderen Hilfssystemen erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Müller