Frage an Petra Merkel von Thorsten S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Merkel,
Sie schreiben in Ihrer Antwort vom 05.02., das "Spannungsfeld zwischen individueller persönlicher Freiheit und der notwendigen Vorsorge gegen Kriminalität" müsse immer wieder neu austariert werden.
Mein Frage ist auf den Punkt "austarieren" bezogen. Ist es wirklich richtig und notwendig, das unser Parlament nicht verfassungkonforme Gesetze beschließt (immerhin mit der mächtigen Mehrheit einer großen Koalition) und die notwendigen Korrekturen dem Bundesverfassungsgericht überläßt? Wie kann es sein, dass in unserer Demokratie jegliches innenpolitische Korrektiv fehlt? Muss denn immer erst das höchste Gericht einschreiten, um Politikern Grenzen aufzuzeigen, die durch Lesen der Verfassung und "Fingerspitzengefühl" genauso leicht hätten "austariert" werden können?
Sie schrieben weiterhin: "[...] habe ich die Sorge, dass viele Daten, die wir mehr oder wenig freiwillig bekanntgeben, zu einer Informationsflut in erster Linie für das Verbraucherverhalten führen wird, mit der das Individuum einschätzbar und kontrollierbar wird. Aber in welchem Umfang das geschieht, haben wir ja alle selbst in der Hand."
Ähem, was mein Verbraucherverhalten angeht, das habe ich in der Hand. Nicht in der Hand habe ich, was der Staat mit meinen Bewegungs- und Kommunikationsprofilen anstellt. Das ist ein weitaus größeres Problem als Payback-Karten oder Internet-Cookies. Und soll ich Vertrauen in einen Staat haben, der "präventiv" Daten über mich sammelt, um sie gegebenenfalls gegen mich einsetzen zu können? Dir mir nicht traut? Weiß ich, mit wem ich letzten Monat im Café ein nettes Pläuschen über das Wetter gehalten habe und ob ich deswegen ins Visier irgendwelcher Fahnder gerate?
Vielleicht nennen Sie es Paranoia, das BVerfG nannte es ein "Gefühl des Überwachtwerdens". Sollte die Politik nicht aufhören, dieses Gefühl zu schüren und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl angemessene Gesetze schaffen, die verfassungkonform sind, statt die Überwachungskeule zu schwingen?
T. Schäfer
Sehr geehrter Herr Schäfer,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu meiner Antwort auf eine Frage zum Thema Sicherheit.
Viele Ihrer Anmerkungen sind für mich persönliche Eindrücke, die ich respektiere aber nicht teile. Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass unserer Demokratie „jegliches innenpolitisches Korrektiv“ fehlt, wie ja gerade das Verfassungsgericht zeigt. Sämtliche Gesetze und Gesetzesänderungen werden in der Entstehungsphase von Juristen begutachtet. Darauf muss ich mich als Politikerin verlassen.
In Ihrem Schreiben kommt ein sehr großes Misstrauen gegenüber unserem Staat durch – das finde ich bedauerlich. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir in der Bundesrepublik zum Glück in einem Rechtsstaat leben und in keinem „Überwachungsstaat“.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Merkel