Frage an Petra Merkel von Hans D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Merkel,
haben Sie am 19.07.2012 der Resolution mit Zielsetzung zur straffreien Beschneidung von ausschliesslich maennlichen Buergen in DE zugestimmt ?
Mit freundlichen Gruessen
H.Drache
Sehr geehrter Herr Drache,
vielen Dank für Ihre Frage bei "abgeordnetenwatch.de".
Die von Ihnen angesprochene Resolution vom 19.07.2012 war lediglich eine Meinungsbekundung mit symbolischen Charakter. Ich wollte mit meiner Antwort daher abwarten, bis es eine entsprechende Gesetzesvorlage in der Frage der Beschneidung gibt.
Mitte Dezember nun stand der Gesetzentwurf der Bundesregierung (sowie u.a. Änderungsanträge der SPD-Gruppe Reimann - Drks.: 17/11835 - sowie der SPD-Gruppe Lischka – Drks.: 17/11815) zur Abstimmung. Gerne erläutere ich Ihnen, weshalb ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, sowie den beiden o.g. Änderungsanträgen aus meiner Fraktion zugestimmt habe.
Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, zumal ich mich zu Beginn der Diskussion, die auch innerhalb meiner Fraktion unmittelbar nach dem Urteil des Landegerichts Köln vom 07. Mai 2012 einsetzte, für ein Verbot der Beschneidung positioniert habe. Bis zu diesem Urteil – und das ist im Grunde ein Skandal – existierte keine gesetzliche Regelung der religiösen Beschneidung von Jungen. Die Beschneidung war weder verboten noch erlaubt. In der Praxis galt bisher, dass Eltern in eine religiöse Beschneidung einwilligen können. Das Urteil aus Köln stellte dies in Frage, so dass eine gesetzliche Regelung gefunden werden musste.
Von Beginn an standen sich in der Diskussion zwei unterschiedliche Positionen scheinbar unversöhnlich gegenüber:
Die Gegner der religiösen Beschneidung argumentieren, dass diese das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit verletze. Die Befürworter einer Legalisierung der religiösen Beschneidung machen geltend, dass sie dem Kindeswohl nicht entgegen stehe und die Religionsfreiheit von Kind und Eltern sowie das Elternrecht achte.
Im Laufe der Diskussion meldeten sich zahlreiche Einrichtungen und Verbände zu Wort. Während der Deutsche Kinderschutzbund, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie sowie z.B. Terre des Femmes eine religiös motivierte Beschneidung ablehnten, sprachen sich der Zentalrat der Juden, der Zentralrat der Moslems, sowie Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche im Hinblick auf die Religionsfreiheit für ein Beibehalten dieser jahrtausendealten Praxis aus.
Es ging bei der Entscheidung also darum, mit Blick auf die Religionsgeschichte, auf unsere Verfassungstradition, aber auch auf die weltweite Rechtslage und Rechtspraxis (in keinem Land der Welt ist die Beschneidung von Jungen verboten) zu entscheiden, ob die körperliche Unversehrtheit des Kindes gegenüber dem Recht auf die Personensorge und auf religiöse Erziehung schwächer oder stärker zu gewichten ist.
Ich habe nach langem Abwägen und Interpretieren der Rechte der Beteiligten die in dieser Frage tangiert sind, also dem Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung, auf eine gewaltfreie Erziehung, aber auch dem Recht der Eltern auf Religionsfreiheit sowie dem Recht, für ihre Kinder zu sorgen, sie zu pflegen und zu erziehen, sowie nach der Empfehlung des Deutschen Ethikrates, rechtliche Standards für die Beschneidung von Jungen einzuführen, entschieden, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen.
Die Diskussion zur Problematik wird und muss sowohl in den Gemeinden, als auch in der Gesellschaft weitergeführt werden und ist mit dem o.g. Gesetz nicht abgeschlossen, sondern steht erst am Anfang.
Es steht allen Beteiligten gut zu Gesicht diese Diskussion mit der gebotenen Sachlichkeit und dem Respekt vor den verschiedenen Argumenten zu führen.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Merkel, MdB