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Frage von Helga M. •

Frage an Petra Heß von Helga M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Heß,

ich danke Ihnen für Ihre schnelle und ausfürliche Antwort. Ich weiß, daß die Afghanen diesen Krieg nicht begonnen haben. Ich weiß, daß die Afghanen ein stolzes Volk sind. Ich habe gelernt, daß die kritischen Berichte oft näher an der Realität sind als die, die beschönigen.

Deutschland hat wenig Rohstoffe. Wäre es da nicht vernünftiger, anderen Staaten gegenüber als respektvoller Vertragspartner gegenüber zu treten als Soldaten dorthin zu entsenden? Glauben Sie wirklich, daß eine völkerrechtswidrige Besatzung (die ist es in meinen Augen) die großen anderen Völker in der Zukunft positiv über den Westen urteilen läßt? Legitimiert dieser militärische Einsatz das Verspielen des ehemals guten Rufes unsere Landes in den Regionen am Hindukusch?

Freundliche Grüße aus Thüringen von Helga Müller

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage zum Thema Afghanistan.

Das Völkerrecht ist auf der Charta der Vereinten Nationen gegründet. Durch Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen können militärische Maßnahmen legitimiert werden, wenn ein Angriff vorliegt oder ein Friedensbruch unmittelbar bevorsteht.

Der Einsatz in Afghanistan ist durch die Ihnen bereits genannten UN-Resolutionen abgedeckt und zwar in vollem Umfang. Die von Ihnen als völkerrechtswidrige Besatzung beschriebene Stationierung von Truppen in Afghanistan geht auf die UN-Resolution 1510 zurück. Diese Resolution gibt die Ausweitung des Einsatzes über die Hauptstadt Kabul und den angrenzenden Bezirk auf ganz Afghanistan vor. Wörtlich heißt es in der Resolution: „Eine Absicherung des Wiederaufbauprozesses, besonders der Schutz von Nicht-Regierungs-Organisationen, Humanitären Hilfsorganisationen und Ähnlichen, soll, soweit dies die Kräfte der am Einsatz beteiligten Nationen zulassen, auf ganz Afghanistan ausgeweitet werden.“

Das Völkerrecht definiert Besatzung als Fremdherrschaft, das heißt die militärische Verwaltung eines fremden Staates oder mehrerer fremder Staaten übernehmen große Bereiche der Exekutive in einem besetzten Gebiet oder Staat und schränken damit die Souveränität des besetzten Landes erheblich ein. Dies ist beispielsweise in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Fall gewesen.

Aber der Einsatz in Afghanistan – so wie er im Augenblick ausgeübt wird – ist keine Besatzung, im Gegenteil, der Einsatz dient der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung, bis die afghanische Polizei und das afghanische Militär selbst in der Lage sind dafür zu sorgen. Der Aufbau und die Ausbildung der afghanischen Armee und die Ausbildung einer afghanischen Polizei werden vielmehr sogar forciert und beschleunigt.

2006 haben die Vereinten Nationen und Afghanistan den so genannten „Afghanistan Compact“ geschlossen. Der Afghanistan Compact (auch /Afghanistan-Vertrag/ oder /Afghanistan-Pakt/ genannt) wurde als Abschlussdokument der Londoner ( http://de.wikipedia.org/wiki/London ) Afghanistan-Konferenz ( http://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan-Konferenz ) im Januar 2006 veröffentlicht. Er ist das Ergebnis von Konsultationen der Regierung von Afghanistan ( http://de.wikipedia.org/wiki/Afghanistan ) mit den Vereinten Nationen ( http://de.wikipedia.org/wiki/UN ) und der internationalen Gemeinschaft und stellt den Rahmen für die weitere internationale Zusammenarbeit in den kommenden fünf Jahren mit dem Staat am Hindukusch ( http://de.wikipedia.org/wiki/Hindukusch ) dar. Das Auswärtige Amt hat den Afghanistan-Vertrag folgendermaßen bewertet: „ Mit dem Compact übernimmt die afghanische Regierung vorrangig Verantwortung für die Entwicklung des Landes, die internationale Gemeinschaft tritt unterstützend in den Hintergrund – wobei die Unterstützung sowohl militärisch als auch finanziell weiterhin erheblich sein wird.“

Eigentlich überflüssig zu erwähnen, aber der Afghanistan Compact wurde vom Afghanischen Präsidenten unterzeichnet, der demokratisch und frei vom afghanischen Volk gewählt wurde, genauso wie das Parlament und die Provinzräte!

Ist es nicht hoch problematisch, völkerrechtlich legitimierte, sogar geforderte Entscheidungen mit dem Gefühl zu bewerten oder aus dem Bauch heraus? Recht kann doch niemals sein, was „gesundes Rechtsempfinden“ für Recht erklären möchte. Nehmen wir als Beispiel die Todesstrafe oder das Verbot von Folter. Das sind Rechtsgüter, die in einem demokratischen Rechtsstaat auch dann außer Frage stehen müssen, wenn „das gesunde Volksempfinden“ nach der Todesstrafe ruft oder unter bestimmten Voraussetzungen Folter für legitim hält.

Und ganz sicher können sich nur wenige Afghanen mit der Vorstellung von Frauenrechten oder sogar der Gleichberechtigung von Frauen und Männern arrangieren, dennoch bleibt diese Forderung ohne Alternative, besonders, wenn man sich die Situation der Frauen unter den Taliban erneut vor Augen führt.

Die von Ihnen offenbar als Garanten der Neuen Weltordnung genannten „großen anderen Völker in der Zukunft“, womit Sie vermutlich China und Indien, evt. auch Brasilien meinen, werden den gleichen Rahmenbedingungen der Weltstaatenordnung unterliegen wie alle Mitglieder der Vereinten Nationen auch. Eine Verschlechterung der deutschen Position diesen Ländern gegenüber durch den Einsatz in Afghanistan halte ich für konstruiert und nicht ableitbar.

Ich bitte Sie, die in dieser Antwort und auch in der vorangegangenen Antwort genannten UN-Resolutionen einmal nachzulesen. Sie sind im Internet frei verfügbar. Wenn Sie wirklich an einer Antwort auf Ihre Fragen interessiert sind und nicht bloß Ihr Gefühl bestätigt bekommen wollen, dann werden Sie hier mit Sicherheit fündig werden.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Heß