Frage an Petra Heß von Matthias K. bezüglich Recht
Hallo Frau Heß,
unser Innenminister Otto Schily hat zusammen mit Justizministerin Brigitte Zypries Gesetze erlassen, die die Abwehr von Terrorangriffen erleichtern sollen.
Dazu gehört u.a. das Luftsicherheitsgesetzt, welches erlaubt, Passagierflugzeuge im Terrorfall abzuschießen und welches allen privaten Motorpiloten eine regelmäßige geheimdienstmäßige Zwangsüberprüfung aufbürdet, sie sie auch noch selbst bezahlen sollen.
Ich finde dies unverhältnismäßig den Privatpiloten gegenüber. Schließlich stellt z.B. auch ein LKW ein großes Betriebsrisiko dar und damit eine ernste Terrorgefahr. Ich habe den Eindruck, das das LuftSG hier auch eine Antwort auf die latente Angst der Bürger vor "allem was fliegt" geben möchte. Dies ist in dieser Form auch nur mit einer Minderheit zu machen, die sich mangels Lobby kaum gegen diese Einschränkung von Bürgerrechten wehren kann. Versuchen Sie sich vorzustellen, dies würde den 40 Mio Autofahrern vorgeschrieben werden. Schon wenn man vernünftige Dinge wie eine regelmäßige Gesundheitsüberprüfung oder den zeitlich befristeten Führerschein (der immer wieder verlängert werden kann, wie z.B. bei den Pilotenlizenzen üblich) einführen wollte, müßte man sich auf überwältigende Proteststürme einrichten.
Ich bin Angestellter und Hobbypilot (Segelflug) und stelle keine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Ich fühle mich unfair behandelt von den Politikern Schily und Zypries. Meine Umschulung auf den Motorsegler stelle ich nun erstmal zurück, weil ich es mir als Familienvater nicht leisten kann, jedes Jahr 100 Euro für die Zwangsüberprüfung zurückzulegen.
Können Sie mein Anliegen nachvollziehen? Würden Sie sich für eine Abschaffung der Zwangsüberprüfung für private Motorpiloten einsetzen? Ich möchte ergänzen, daß ausländische Piloten nicht betroffen sind und hoffe, daß der Politik nicht daran liegt, langfristig die private Fliegerei in Deutschland zu dezimieren.
Wenn Sie möchten, kommen Sie mal zu einem Rundflug zum Fliegerclub Ilmenau (www.fliegerclub-ilmenau), damit ich Ihnen etwas von der Schönheit dieses Sports zeigen kann.
Schöne Grüße
Matthias Kaufmann
Sehr geehrter Herr Kaufmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich des Luftsicherheitsgesetzes. Sie wenden sich in Ihrem Schreiben gegen die im Luftsicherheitsgesetz angeordnete Zuverlässigkeitsüberprüfung. Der Luftverkehr unterliegt im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern einer besonderen terroristischen Bedrohung. Es ist auch davon auszugehen, dass diese Bedrohung sich in absehbarer Zeit nicht verringern wird. Dem ist durch das Luftsicherheitsgesetz durch ein gestaffeltes System an Sicherheitsmaßnahmen am Boden und in der Luft Rechnung tragen worden. Die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Luftsicherheitsgesetz auf die sog. Privatpiloten entspricht den erhöhten Sicherheitsanforderungen in der Luftfahrt sowie einer Forderung der deutschen Innenministerkonferenz vom 14. /15. Mai 2003. Durch die Zuverlässigkeitsüberprüfung soll verhindert werden, dass unzuverlässige Personen eine Ausbildung zum Piloten erlangen oder ein Luftfahrzeug führen. Es darf nicht verkannt werden, dass Zuverlässigkeitsüberprüfungen selbstverständlich keinen hundertprozentigen Schutz gegen Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs bieten können, gleichwohl aber eine wichtige präventive Komponente darstellen.
Dass es bisher überhaupt keinen Fall gegeben haben soll, in dem ein aktiver Luftsportler im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten aufgefallen sei, ist nicht zutreffend. In Brandenburg hat ein türkischer Staatsbürger 2002 unter Angabe einer falschen Identität eine Pilotenlizenz erworben. Die Person ist zwischenzeitlich wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung (Goldschmuggel) zu 5 Jahren Haft verurteilt worden und mutmaßliches Mitglied einer Tätergruppierung um den Tunesier G., der unter dem Verdacht steht, arabische Studenten für Anschläge in Deutschland angeworben zu haben und gegenwärtig in Berlin vor Gericht steht.
Zutreffend ist, dass ausländische Piloten durch § 7 LuftSiG nicht
erfasst werden. Dies ergibt sich aber aus dem Geltungsbereich des
Gesetzes. Deutschland kann keine Schutzmaßnahmen in ausländischen
Staaten anordnen. Der Umstand, dass bestimmte Schutzmaßnahmen nicht
weltweit praktiziert werden, stellt keinen Grund dar, hiervon in
Deutschland abzusehen.
Dass Personen ohne Pilotenlizenz, die sich gewaltsam in den Besitz eines Flugzeuges bringen (Frankfurter Motorseglerfall), keiner Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, ist offenkundig. Dies spricht aber nicht gegen die Zuverlässigkeitsüberprüfung, sondern für eine bessere Sicherung von Flugplätzen und Fluggerät. Das Vorbringen, dass in Luftsportvereinen „eine hohe Selbstkontrolle durch die Vereinsstrukturen gegeben sei“, vermag die Zuverlässigkeitsüberprüfungen nicht in Frage zu stellen. Eine – wie auch immer geartete - „Selbstkontrolle durch Vereinstrukturen“ steht einer behördlichen Überprüfung durch Abfrage der Sicherheitsbehörden nach dort vorliegenden Erkenntnissen in keiner Weise gleich. Die Aussage, dass das Gefährdungspotenzial durch Kleinflugzeuge wesentlicher geringer als das durch Kfz und Lkw sei und erst recht nicht mit dem eines Airbus A 380 vergleichbar sei, ist so nicht zutreffend. Nach gemeinsamer Auffassung der deutschen Sicherheitsbehörden sind genügend Tatszenarien vorstellbar, in denen durch Nutzung eines Kleinflugzeugs als Tatwaffe massive Schäden angerichtet werden können, z.B. wenn dieses mit Sprengstoff oder anderen Explosivstoffen beladen wird. Mit ausschlaggebend für die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf alle Flugzeugführer ist auch das Bedrohungspotential, das insbesondere aus der Mobilität des Fluggeräts resultiert. Schon von relativ kleinen Flugzeugen kann eine erhebliche Gefährdung für Personen insbesondere in Sicherheitsbereichen ausgehen, die gegen Angriffe vom Boden aus hinreichend geschützt sind. Das Bundesministerium des Innern erarbeitet z.Z. unter Hochdruck die Rechtsverordnung zur Durchführung der Zuverlässigkeitsüberprüfung, die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. Die besondere Gefährdung, der der Luftverkehr unterliegt, erlaubt es jedoch nicht, mit der Durchführung der Sicherheitsüberprüfungen zu warten, bis diese Verordnung in Kraft ist. Das Bundesministerium steht in engem Kontakt mit den Ländern, um auch jetzt schon ein möglichst einheitliches Vorgehen der Länder sicher zu stellen.
Die Zuverlässigkeitsüberprüfung sieht ein abgestuftes Prüfverfahren vor. Nach § 7 Absatz 3 Nr. 2 des Luftsicherheitsgesetzes darf die Luftsicherheitsbehörde Anfragen bei den Polizei- und den Verfassungsschutzbehörden der Länder stellen. Bei den weiteren Sicherheitsbehörden wie z. B. dem Bundeskriminalamt, dem Zollkriminalamt, dem Militärischen Abschirmdienst oder dem Bundesnachrichtendienst darf nur angefragt werden, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit unterliegt auch der gerichtlichen Überprüfung. Vereinzelt wird der Vorwurf erhoben, dass durch die im Einzelfall erforderliche Einbeziehung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Verleumdungen durch sog. inoffizielle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR die Zuverlässigkeit eines Flugzeugführers in Frage stellen könnten. Solche rechtsstaatswidrig gewonnenen Informationen sind für die Beurteilung der Zuverlässigkeit grundsätzlich nicht geeignet und damit für die Zuverlässigkeitsüberprüfung auch nicht bedeutsam. Vereinzelt wird ein unverhältnismäßiges Vorgehen der Luftsicherheitsbehörden insbesondere bei Auslandsbezügen, wie z.B. bei früheren Wohnsitzen im Ausland, beklagt. Die zuständige Facharbeitsgruppe meiner Fraktion hat das Bundesministerium des Innern bereits aufgefordert, im Rahmen der erforderlichen Rechtsverordnung eine Umsetzung der Zuverlässigkeitsüberprüfung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sicher zu stellen. Der Zuverlässigkeitsüberprüfung wird ausnahmslos das gesamte fliegende Personal der Luftfahrtunternehmen und alle Beschäftigte auf unseren Verkehrsflughäfen bis zur Reinigungskraft unterworfen, ohne dass daran Kritik geübt wird. Ich kann nicht erkennen, dass die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Privatpiloten unverhältnismäßig ist oder dass dadurch Privatpiloten gegenüber bislang schon der Zuverlässigkeitsüberprüfung unterworfenen Personen benachteilgt werden. Die Gebühren für die Zuverlässigkeitsüberprüfungen werden bei ca. € 25,- liegen. Es ist auch beabsichtigt, zukünftig die Wiederholungsprüfung nur alle 3 Jahre durchzuführen. Die Grundlagen hierfür werden gerade im Bundesministerium des Innern erarbeitet.
Ich bitte um Ihr Verständnis für die ergriffenen Maßnahmen. Ihr Angebot, dass wir uns im Fliegerclub Ilmenau treffen, nehme ich sehr gern an. Mein Ilmenauer Büro wird sich zwecks Terminabsprache nach der Bundestagswahl mit Ihnen in Verbindung setzen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Petra Heß