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Frage von Achim T. •

Frage an Petra Ernstberger von Achim T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Ernstberger,
in Ihrem Wahlkreis ist seit Jahren die höchste Arbeitslosenquote in ganz Bayern. Bisher konnte ich leider noch keine wirkungsvollen Maßnahmen erkennen, wie dieses ernsthafte Problem angegangen werden soll. Welche effektiven Maßnahmen planen Sie für die nahe Zukunft, damit in unserer Region neue Arbeitsplätze entstehen können?
Mit freundlichen Grüßen

Achim Trager

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Sehr geehrter Herr Trager,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte. Sie haben Recht mit Ihrer Feststellung, dass im Wahlkreis Hof/Wunsiedel seit Jahren die höchste Arbeitslosenquote in Bayern zu verzeichnen ist. Um diesem größten Problem unserer Region zu entgegnen, habe ich im Rahmen meiner Möglichkeiten als Bundestagsabgeordnete mir folgende Ziele für die kommenden Jahre gesteckt:

Jugendarbeitslosigkeit:
Derzeit bemühe ich mich in Rahmen meiner "Aktion für mehr Lehrstellen" in Zusammenarbeit mit der örtlichen Arbeitsagentur und den oberfränkischen Kammern (IHK und HWK) um die Vermittlung von Jugendlichen. Ziel ist es, in erster Linie solchen Jugendlichen zu helfen, die bereits seit längerer Zeit erfolglos auf der Suche nach einer Stelle sind. Die Aktion läuft bisher zufriedenstellend. Die Kammern haben sich bereit erklärt, die Teilnehmer an der Aktion gezielt zu vermitteln. Auch in Zukunft möchte ich diese Aktion weiterführen und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, mit Hilfe von Agentur für Arbeit und Kammern gezielt vermittelt zu werden. Sollte es allerdings auch in Zukunft keine spürbaren Verbesserungen auf dem Ausbildungsmarkt geben, muss man sich weitere Instrumente überlegen. Denkbar wären beispielsweise Ausbildungsverbünde kleinerer Unternehmen, die alleine nicht in der Lage sind, auszubilden. Zudem muss man sich Gedanken machen über Möglichkeiten, aus einer Lehrstelle zwei zu machen. "Aus ein mach zwei" würde sich für solche Branchen anbieten, in denen die Ausbildungsvergütung relativ hoch ist. Für Jugendliche, die freiwilllig bereit sind, auf einen Teil ihrer Ausbildungsvergütung zu verzichten, könnten so bei Firmen zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Dies ist jedoch letztendlich eine Frage, die die Tarifpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften) zu klären haben. Als Politikerin kann ich hier nur anstoßen, den ein politischer Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie kommt für mich nicht in Frage. Auch die Möglichkeit, gezielte Partnerschaften für Ausbildungsplätze zu übernehmen. möchte ich prüfen und durchführen. Zudem sollen die bisherigen Instrumente der aktiven Vermittlung der Jugendlichen der Arbeitsagentur auch weiterhin im Wahlkreis möglich sein (Jump-Plus, Vorbetriebliche Praktika, berufsvorbereitende Maßnahmen etc.). Anmerken möchte ich hier noch: Die Wirtschahft hat hier eine große Verantwortung. Es sind die Unternehmer, die Ausbildungsplätze schaffen - die Politik kann nur appellieren und letztendlich gesetzliche Maßnahmen ergreifen, wenn es unumgänglich ist, z.B in Form einer Ausbildungsplatzumlage.

Arbeitslosigkeit im Allgemeinen:
Die relativ hohe Arbeitslosigkeit in Hof und Wunsiedel hat verschiedenste Gründe. Ein sehr gewichtiger Grund ist sicherlich der Strukturwandel, in dem sich unsere Region befindet. Die so genannten Altindustrien Textil und Porzellan sind in den letzten Jahren massiv weggebrochen, viele Arbeitsplätze sind in diesen Bereichen verloren gegangen. Bisher ist es nur unzureichend gelungen, ausreichend neue Arbeitsplätze in neuen und zukunftsträchtigen Bereichen zu schaffen. Ich setze für die Zukunft auf einen Mix an staatlichen Fördermaßnahmen, um den notwendigen Strukturwandel zu beschleunigen. Aber bedenken Sie in diesem Zusammenhang auch immer: Für die regionale Strukturpolitik sind laut unsrer föderalen Ordnung in erster Linie die Länder, also die Bayerische Staatsregierung zuständig. Dennoch hat auch der Bund Möglichkeiten, aktive Strukturpolitik zu betreiben. Ich setze künftig auf folgende Instrumente:

* Beibehaltung der Fördermöglichkeiten im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA). Hier sind in den letzten Jahren über 20 Millionen Euor Budnesmittel in Strukturmaßnahmen in Hof und Wunsiedel geflossen. Jüngster Erfolg: Mit 2,5 Millionen Euro Bundesmitteln wurde der Automobilzuliefererpark "Pole Position" in Hof erschlossen. Dieses Geld ist bestens investiert: Jüngst haben zwei neue Firmen angekündigt, in Hof Arbeitsplätze im Bereich Automobilzulieferindustrie zu schaffen. Diese Budnesgelder müssen weiterhin zur Verfügung stehen, um gezielte Anreize zu schaffen, dass Firmen sich bei uns ansiedeln.

* Ich werde mich auch massiv dafür einsetzen, dass unsere Region weiterhin Zielgebiet der europäischen Strukturpolitik bleibt, wir müssen auch dafür sorgen, dass das sogenannte Fördergefälle nach Tschechien begrenzt wird und so Betriebsverlagerungen unattraktiv werden. Wir brauchen faire Rahmenbedingungen, um als Standort konkurrenzfähig zu sein.

* Weitere Förderung mittelständischer Unternehmen durch Bundesmittel im Bereich der Forschung und Entwicklung. Ich möchte auch künftig die Möglichkeiten sehen, innovative Firmen mit Geld zu unterstützen, wenn sie neue Produkte entwickeln möchten. Neulich war ich zu Besuch bei einer Firma in Schlegel bei Köditz. Die Firma stellt dort Mikroschaltkreise her und bekommt für deren Entwicklung Geld vom Bund (500.000 Euro). Die Firma schafft nun neue Arbeitsplätze und will weiter expandieren. Das ist ein gutes Beispiel für den notwendigen Strukturwandel in unserer Region. Ein weiteres Beispiel: Die Firma BHS tapletop forscht und entwickelt zum Beispiel im Bereich der Hochleistungskeramik. Hier findet also auch mit Unterstützung von Bundesgeldern der notwendige Strukturwandel statt. Weg von der konventionellen Keramik hin zu innovativen Produkten. Weitere Beispiele könnte ich nennen - wichtig ist: Auch in den so genannten Altindustrien muss ein Strukturwandel unterstützt werden. Hochleistungstextilien im Bereich Fahrzeugbau wären ein weiteres Beispiel. Oder nehmen Sie die Firma Raumedic AG in der Ottengrüner Heide bei Helmbrechts. Diese Firma forscht und entwickelt im Bereich Medizintechnik mit Bundesgeldern und hat erst kürzlich ein neues Werk seiner Bestimmung übergeben. Das ist ein Beispiel für eine innovative Firma, die neue Märkte erschließt und unserem Standort die Treue hält - vorbildlich!

* Wir müssen uns zudem Gedanken machen, wie wir neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich schaffen können. Hier überlege und arbeite ich z. B. an einem Konzept für barrierefreien Tourismus im ostbayerischen Grenzland - mit Sitz der Koordinierungsstelle in Hof. Tourismus ist ein Wachstumsmarkt, unsere älter werdende Gesellschafft macht auch hier neue Konzepte notwendig. Auch im Bereich Wellness und Kuren ist viel Potential vorhanden. Unsere Region ist gesegnet mit einer intakten Natur. Hier gibt es ebenfalls Förderinstrumente des Bundes, die ich nutzen möchte. Außerdem sehen wir Sozialdemokraten weiteres Potential im bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen. Hier müssen wir durch Entbürokratisierung mehr Potentail erschließen.

* Stichwort Entbürokratisierung: Die oberfränkischen Kammern beteiligen sich auf meine Innitiave hin nun an der Ausschreibung des Bundes für eine Modellregion zum Bürokratieabbau. Ziel ist es, solche Vorschriften zu identifizieren, die Wachstum und Beschäftigung behindern. Vor allem Existengründer müssen schnell Lösungen finden, um einen Betrieb auf die Beine zu stellen und Arbeitsplätze schaffen zu können. Auch der Mittelstand braucht mehr "Luft zum Atmen". Überflüssigen Vorschriften gibt es viele, man muss sie nur herausfiltern und konsequent beseitigen.

* Potential sehe ich zudem im Bereich Logistik. Durch die Nähe zur Tschechischen Republik haben wir die Chance, aus unserer Region eine Art "Brückenkopf" in Richtung Osteuropa zu machen. Ein erster Schritt stellt hier z. B. das Container-Terminal in Hof dar. Dort werden Container von Lastwagen auf Züge geladen und dann Richtung Hamburg verfrachtet. Der Terminal boomt, auch mit Hilfe von Bundesgeldern, die dort investiert wurden.

* Derzeit bemühe ich mich zudem, neue Arbeitsplätze im öffentichen Dienst nach Hof zu holen. Wie sie sicherlich wissen, wurde das Hauptzollamt in Hof zu einem Zollamt abgestuft. In Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzministerium arbeite ich derzeit an einem Konzept, um neue Stellen im Zollbereich nach Hof zu bekommen. Ein erster Schritt war sicherlich die Ansiedlung der Zollstelle "Bekämpfung der Schwarzarbeit" - hier muss noch weiteres geschehen, um auch Kaufkraft zu binden.

* Schließlich müssen wir im Bund natürlich weiterhin daran arbeiten, dass die Rahmenbedingungen für Investitionen in neue Arbeitsplätze weiter verbessert werden. Dazu gehört sicherlich auch, den Kommunen wieder mehr Investitionsspielraum zu verschaffen. Die Reform der Gewerbesteuer im Jahr 2000 war ein erster Schritt in diese Richtung. Die Gewerbesteuereinnahmen steigen auch in unserer Region wieder an. Kommunale Investitionen sind sehr wichtig für die Schaffung von Arbeitsplätzen, z.b. im Bereich Bau. Hier müssen wir weiter daran arbeiten, dass unsere Gemeinden und Städte wieder bessere finazielle Möglichkeiten haben. Erreichen kann man dies zum Beispiel auch dadurch, dass man den Kommunen die gesetzliche Möglichkeit einräumt, Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer nicht ausschließlich zur Entschuldung einsetzen zu müssen, sondern für kommunale Investitionen.

* Last but not least möchte ich auch noch betonen, wie wichtig Investitionen in Bildung Betreuung sind. Das Ganztagsschulprogramm des Bundes löst Investitionen in Millionenhöhe in Hof und Wunsiedel aus. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mehr Bildung vom Kindergarten bis ins hohe Alter sind weitere Stichworte, die auch Standortfaktoren sind.

Sehr geehrter Herr Trager,

es gibt einige Möglichkeiten, um die Schaffung von Arbeitsplätzen aktiv zu unterstützen. Sicherlich habe ich nicht alle Aspekte aufgeführt - das Thema ist sehr komplex, alle staatlichen Ebenen und die Wirtschaft und Gewerkschaften sind gefordert, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg in unserer Region, aber ausruhen dürfen wir uns bei Leibe nicht. Wir müssen innovativ sein und unseren Standort gut darstellen und verkaufen. So schaffen wir es, den Strukturwandel anzupacken und weiter zu führen. Ich bleibe aber auch dabei: Die bayerische Staatsregierung hat es jahrelang versäumt, hier ein abgestimmtes Konzept zu präsentieren. Der Bund hilft wo er kann und wird es auch weiterhin tun.

Arbeitslosigkeit Älterer:
Dazu möchte ich noch bemerken, dass ich hier in Zusammenarbeit mit einem regionalen Bildungsträger ein Konzept entwickelt habe, wie man ältere Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt integriert. Die Bundesregierung stellt für solche Vorhaben 5 Millionen Euro für jeden einzelnen regionalen Beschäftigungspakt zur Verfügung. Ziel ist es, die Anstellung und Beschäftigung Älterer attraktiver zu machen. Ich erhoffe mir, dass das Konzept umgesetzt werden kann mit Hilfe der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Es ist fatal, dass ältere Arbeitssuchende kaum eine Chance haben, integriert zu werden. Es schlummert viel Potential und Erfahrung am Arbeitsmarkt, das wir aktivieren müssen. Ich setze auch weiterhin auf derartige Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Sehr geehrter Herr Träger,

ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort meinen Standpunkt näher gebracht zu haben. Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen, Fragen, Anregungen und Kritik zur Verfügung. Nehmen Sie einfach Kontakt mit mir auf: petra.ernstberger@bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen
Petra Ernstberger, MdB
P.S.: Eventuelle Rechtschreibfehler bitte ich zu Entschuldigen.