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Petra Ernstberger
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Frage von Gudrun R. •

Frage an Petra Ernstberger von Gudrun R. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Ernstberger!

Ich gehöre zu den Menschen in Deutschland, die nicht länger hinnehmen, dass Menschen aufgrund von Fehlern des eigenen Rechtsanwaltes, einer falschen Rechtsauffassung des Richters oder gar aufgrund vorsätzlicher Rechtsbeugung um das ihnen zustehende Recht betrogen werden. Beängstigend ist die Feststellung des Rechtsanwaltes und Leiters der ZDF-Redaktion „Recht und Justiz“ kürzlich innerhalb der Fernsehdokumentation bei Johannes B. Kerner, dass in Deutschland 70 000 Straftäter in Gefängnissen sitzen, davon aber 3 von Hundert unschuldig. Noch alarmierender ist die neuerliche Feststellung der Grünen-Politikerin, Frau Christine Stahl, dass im Freistaat Bayern 2008 130 Menschen zu Unrecht in Haft saßen. Zu Unrecht in Haft bedeutet für die Betroffenen und dessen Familien unsagbares Leid; Leben, das jeder nur einmal besitzt, wurde vernichtet, vom finanziellen Ruin ganz zu schweigen.

Zwingt diese Tatsache nicht geradezu einen Politiker einer sozialdemokratischen Partei,
umgehend über neue umfassende Strafrechtsreformen nachzudenken?

Herr Wiefelspütz findet auf diese Frage leider keine Antwort, Frau Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hat lediglich Bedauern dafür übrig.

Mit freundlichen Grüßen

Gudrun Rödel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Rödel,

die Demokratie ist die beste Staatsform, doch damit diese existieren und funktionieren kann, braucht es zahlreiche systemimmanente Grundvoraussetzungen: Dies schließt eine vertikale Gewaltenteilung, d.h. eine unabhängige Rechtssprechung, mit ein. Ein demokratischer Rechtsstaat muss auch Gerechtigkeit durchsetzen. Wir als Sozialdemokraten implizieren damit die gleiche Würde eines jeden Menschen und diese verlangt auch gleiche Freiheit und Gerechtigkeit vor dem Gesetz. „In dubio pro reo“ drückt u.a. jene Rechtsgleichheit explizit aus. Die deutsche Rechtsprechung ist eine der besten und gerechtesten überhaupt, dass kann ich Ihnen versichern. Internationale unabhängige Indizes, wie etwa der Freedom House Index, belegen dies. Doch auch Richter und Anwälte sind nur Menschen und keine Maschinen. Eine hundertprozentige Fehlerfreiheit kann nicht gewährleistet werden. Sinn und Zweck von Justizpolitik ist es aber, diesem Ziel so weit als möglich entgegen zustreben. Damit sichergestellt werden kann, dass Fehler vermieden werden können, stehen dem Angeklagten sowohl Berufung als auch Revision als weitere Verfahrensoptionen zur Verfügung. Laut Schätzungen des Strafrechtsexperten Professor Helmut Kury sind ca. ein Prozent aller Inhaftierten unschuldig. Diejenigen, die es betrifft, haben von solchen Zahlen zugegebenermaßen wenig - das von Ihnen geschilderte Leid wird hierdurch in keiner Weise gelindert, sie stehen mit Ihrem Schicksal fast alleine. Nur wenige können auf Unterstützer wie Sie zählen! Wir als SPD werden weiterhin dafür kämpfen, dass sich die Zahl unschuldig Inhaftierter sukzessive verringert. Wir stehen weiterhin dafür ein, dass der Zugang zur Justiz nicht vom Geldbeutel abhängen darf - das ist ein Gebot des sozialen Rechtsstaats. Wir setzen uns deshalb für den Erhalt der Prozesskosten- und Beratungshilfe ein. Rechtsgleichheit beinhaltet gleichzeitig auch, dass jeder die Chance haben muss, dieses Recht in Anspruch nehmen zu können. Dies ist ein wichtiges Mittel, um auf absolute gerechte Rechtssicherheit hinarbeiten zu können. Ist jedoch einmal ein Urteil gefällt, und alle Instanzen wurden erfolglos in Anspruch genommen, so ist das Urteil rechtsgültig. Dann kann das Verfahren nur noch neu aufgerollt werden. In einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat dürfen jedoch nicht einzelne Urteile kassiert werden, weil sie dem subjektiven Empfinden von Politikern oder Ange­hörigen widersprechen. Hier würde ein Präzedenzfall geschaffen, der zur systematischen Aushöhlung des Rechtsstaates einlädt. Eine hundertprozentige Sicherheit vor falschen und ungerechtfertigten Urteilen kann Ihnen weder ich noch irgendjemand anderes garantieren oder versprechen. Eine umfassende Strafrechtsreform würde an diesem Faktum nichts ändern können, denn absolute Gewissheit kann es leider nicht geben. Es tut mir leid, dass ich Ihnen diesbezüglich keine andere Antwort geben kann.

Mit freundlichen Grüßen,

Petra Ernstberger, MdB