Frage an Petra Ernstberger von Markus W. bezüglich Finanzen
Guten Tag, Frau Ernstberger
ich möche im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen, gerne folgendes von Ihnen erfahren:
Welche Maßnahmen sollten nach Ihrer Meinung ergriffen werden, um die grundlegende Neuordnung der Finanzmärkte (welche ja bei G20 beschlossen wurden) durchzusetzen?
Darüberhinaus schließt sich die Frage an, welche Mechanismen können für den Finanzsektor erstellt werden, damit diese Branche nicht mehr leichfertig die Steuerzahler zu Verlustausgleichern Ihrer Geschäftspolitik machen kann?
Ich freue mich auf Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Wölfel
Sehr geehrte Herr Wölfel,
ich möchte mich erst einmal für Ihre Frage bedanken, denn Sie haben ein essentielles Thema unserer Zukunft angesprochen. Um Ihre Frage angemessen beantworten zu können, werde ich mich ausführlicher erklären. Eine kurze und knappe Antwort kann diesem komplexen wichtigen Thema nicht adäquat Rechnung tragen.
Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt uns, Herr Wölfel, dass es so nicht weitergehen kann, sondern ein Neustart nötig ist. Was wir brauchen ist, wie von Ihnen angesprochen, eine Neuordnung des Finanzsystems. Ziel muss es sein, wieder zu einer sozialen Marktwirtschaft zurückzukehren, die den Menschen dient. Die Wirtschaft hat unserer Ansicht nach einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen, sie ist keineswegs ein Selbstzweck.
Aus diesem Grund brauchen wir klare Regeln, die unser Wirtschaftssystem sozialer, transparenter und nachhaltiger machen. Wir müssen wilden Spekulationen und kurzsichtigem, quartalsabhängigem und profitorientiertem Denken Einhalt gebieten. Damit wir die richtigen Maßnahmen finden, um unser Ziel realisieren zu können, müssen wir zuerst zurückblicken: Man muss aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, um für die Zukunft gewappnet zu sein!
In der Vergangenheit gab es rücksichtslose, verantwortungslose und realitätsferne Spekulationen, welche unter anderem durch die fehlende Regelung von Managergehältern verursacht wurde: Managergehälter, die von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt sind und quartalsabhängige Vergütungsstrukturen, welche sich am kurzfristigen Erfolg orientieren, begünstigen risikoreiche und gefährliche Spekulationen, wie uns die derzeitige Krise zeigt.
Um in Zukunft diesen Fehler zu vermeiden, ist ein Eingreifen des Staates gerechtfertigt. Wir brauchen strengere Regeln für Managergehälter. Vergütungen und Boni sind an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung auszurichten. Wir konnten als SPD in der großen Koalition hier Verbesserungen durchsetzen:
• Verschärfte Haftungsbestimmungen für die Aufsichtsratmitglieder wegen unangemessenen Vergütungsfestsetzungen.
• Die Herabsetzung von Vorstandsvergütungen durch den Aufsichtsrat bei außerordentlichen Entwicklungen wird erleichtert.
• Aktienoptionen von Vorständen können zukünftig erst nach vier und nicht wie bisher nach zwei Jahren eingelöst werden.
Uns als SPD geht dies jedoch nicht weit genug. Wir müssen mehr tun, um den Steuerzahler in Zukunft besser zu schützen.
• Boni sollen mehrjährige Bezugszeiträume haben und erst am Ende dieser Periode ausgezahlt werden.
• Abfindungen über eine Million Euro sollen nur noch zur Hälfte steuerlich geltend gemacht werden können.
• Der Wechsel aus der Vorstandschaft in den Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft soll erst nach zwei Jahren möglich sein.
• Wir wollen, wie von Frank-Walter Steinmeier und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück vorgeschlagen, eine Börsenumsatzsteuer einführen. Umsätze sollen demnach zu 0,5% besteuert werden. Ziel ist hierbei einerseits einen Teil der Gewinne der Gemeinschaft zugute kommen zu lassen, andererseits sollen so spekulative Investitionen verringert und das Risiko von Marküberreaktionen reduziert werden. Die Auswirkungen von Letzterem konnten wir sowohl nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 und der Lehmann Pleite 2008 erleben. So etwas muss in Zukunft vermieden werden.
Zu einer stärkeren Regulierung gehört aber auch eine effizientere Bekämpfung der Steuerhinterziehung.
• Die G-20 Staaten müssen sich hierbei, wie bereits betont, auf verschärfte Maßnahmen gegen Steueroasen verständigen, um so Steuerflucht zu erschweren. Das Bankgeheimnis muss diesbezüglich relativiert werden, denn es darf keine wirksame steuerliche Kontrolle behindern. Die G-20 Staaten konnten sich bereits während des Gipfels vom 2. April 2009, auf eine schwarze Liste von Staaten, die steuerliche Kooperation verweigern, verständigen.
• Wir brauchen zudem eine starke Finanzmarktaufsicht. In Deutschland müssen Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) noch besser kooperieren. Zudem ist eine starke internationale Finanzaufsicht, vor allem in Hinblick auf weltweite agierende Konzerne zwingend notwendig. Diesbezüglich wollen wir eine stärkere Rolle für das Finanzstabilitätsforum (FSF) und den Internationalen Währungsfond (IWF) als „Frühwarnsystem“ für die internationale Finanzwelt. Dies ist und wird eine der dringlichsten Aufgaben für den nächsten G-20 Gipfel sein.
• Außerdem müssen Hedge-Fonds und Private Equity Fonds durch mehr Transparenz besser reguliert werden.
• Ebenso muss der Verbraucherschutz im Finanzdienstleistungssektor
verbessert werden, wie die massiven Verluste vieler privater Anleger
zeigen.
Der Grundsatz unseres Handels lautet Investition statt Spekulation.
Dafür wollen wir die Rahmenbedingungen schaffen, um so für ein
nachhaltiges, solidarisches und effizientes Wirtschaftsystem zu sorgen.
Wir die soziale Marktwirtschaft neu starten und für das globalisierte
und vernetzte 21. Jahrhundert rüsten.
Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.
Sicher ist vor allem, Herr Wölfel, dass es viel zu tun gibt, dass vieles angepackt werden muss. Ich und die SPD sind dafür bereit.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Petra Ernstberger, MdB