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Frage von Donald B. •

Frage an Petra Ernstberger von Donald B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Fr. Ernstberger.

Ihre Antwort vom 2.6. auf abgeordnetenwatch.de an Herrn Rother zum Thema Websperren hat mich irritiert, bitte erlauben Sie mir eine Nachfrage.

Sie schreiben, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht auf den Kinderpornogafiebegriff der EU zurückgreift, sondern auf den des §184b StGB, welcher "zur Definition von Kinderpornografie wiederum auf §176, Abs.1 (Sexueller Missbrauch von Kindern)" zurückgreifen würde.

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es Ihnen entgangen sein sollte, dass just diese Definition von Kinderpornografie gerade Ende letzten Jahres von Ihrer Regierungskoalition zugunsten einer eigenständigen und umfassenderen Definition abgelöst wurde, die keinen Bezug mehr auf einen Missbrauch hat und so beispielsweise auch Darstellungen sexueller Handlungen erfasst, die mangels Täter nicht als Missbrauch gelten könnten ( BgBl I Nr. 50 S. 2149ff, http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ). Möchten Sie diesen scheinbaren Widerspruch erläutern?

Bei Umsetzung des vorgeschlagenen EU-Rahmenbeschlusses KOM (2009) 135, der den Rahmenbeschluss 2004/68/JI ersetzen soll, würde zudem das einschränkende Attribut "pornografisch" fallen müssen.

Und Sie wissen sicherlich auch, dass schon mehrere Lobby-Organisationen (IVD,BDWi,DKSB,DPhV,IVD,VBE) und auch Politiker, unter ihnen Ihre Jugendexpertin Frau Marks, gefordert haben, das angestrebte "Zensurgesetz" auch auf §184c (Jugendpornografie) StGB auszuweiten, was letztendlich auch der Forderung der Kinderschutzkommission entspricht.

Wodurch meinen Sie, wäre sichergestellt, dass das Gesetz tatsächlich nur auf pornografische Darstellungen von sexuellen Missbrauch von realen Kindern anwendbar sein würde, wenn der Defintionsbereich des §184b StGB schon jetzt darüber hinaus geht und von Selbstdarstellungen zu fiktiver Prosa alles mögliche mehr erfassen kann?

Mit freundlichen Grüßen

Donald Buczek

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Buczek,

obwohl ich mich bereits mehrfach zur Novellierung des Telemediengesetzes ausführlich geäußert habe und das Thema nicht mehr aufgreifen wollte, habe ich mich dazu entschieden Ihnen doch auf Ihre Nachfrage zu antworten.

Es ist richtig, dass die Regierungskoalition zum 31. Oktober 2008 mit dem von Ihnen auch zitierten „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie“ unter anderem den §184b StGB neu geregelt hat. In dieser Neufassung wird auch festgelegt, dass auch „wirklichkeitsnahe Geschehen“ unter Strafe gestellt werden. Dabei handelt es sich zwar nicht um realen sexuellen Missbrauch von Kindern, wie er in §176 StGB definiert wird, allerdings hat eine pornografische Darstellung den sexuellen Missbrauch von Kindern auch dann um Gegenstand, wenn das dargestellte Geschehen alle Merkmale einer rechtswidrigen Tat nach §176 StGB aufweist (vgl. BGH St 45,41).

Meiner Meinung nach nicht zutreffend ist allerdings Ihr Einwand, dass es sich bei der Neufas­sung des §184b StGB um eine Verschärfung handelt. So urteilte der 2. Strafsenat des BGH bereits am 15.12.1999 (Az. 2 StR 365/99), dass auch fiktive kinderpornografische Darstel­lungen strafrechtlich relevant seien und hob damit ein Urteil des LG Meiningen vom 15.02.1999 (Az. 8 Js 10547/95 – 1 KLs) auf. Mit der Neufassung des §184b StGB wurden somit lediglich die Vorgaben der EU formal umgesetzt und die bis dahin geltende höchst­richterliche Entschei­dung von 1999 im Gesetz bestätigt. Die von Ihnen formulierte aktuelle Verschärfung lässt sich daraus meines Erachtens nicht ableiten.

Mir ist bekannt, dass verschiedene Verbände und auch die Kinderschutzkommission für eine Ausdehnung des Gesetzesentwurfs auf den §184c StGB plädieren. Dies ist aber im aktuellen Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Im Übrigen hat sich die SPD in der Großen Koalition in einigen strittigen Punkten durchsetzen können und dabei die meisten Bedenken aus den Reihen der SPD, des Bundesrates und der Kritiker des Gesetzentwurfes aufgegriffen:

- So wird das Gesetz nicht als Änderung des Telemediengesetzes, wie von Frau von der Leyen bisher geplant, eingebracht, sondern als gezielt auf die Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Seiten abzielendes Spezialgesetz.
- Die SPD konnte im Entwurf das Prinzip „Löschen statt Verbergen“ durchsetzen. So soll nach dem Subsidiaritätsprinzip erst dann die Sperrung von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten erfolgen, wenn die Entfernung aus dem Netz über die Betreiber bzw. Provider erfolglos bleibt.
- Die Sperrlisten des BKA sollen durch ein eigenes Kontrollgremium überprüft werden.
- Es wird bei der Umsetzung des Gesetzes darauf verzichtet, dass Nutzerdaten gesammelt und zur zivil- bzw. strafrechtlichen Verwendung genutzt werden. Damit soll verhindert werden, dass die Infrastrukturen geschaffen werden, welche die Zensierung anderer Inhalte erschweren.

Die genannten Punkte zeigen, dass insbesondere wir als Sozialdemokraten nicht leichtfertig über ein solches Gesetz entscheiden, sondern schon sorgfältig zwischen dem Schutz unserer Kinder und den dazu erforderlichen Eingriffen in bestehende Freiheiten abwägen.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Ernstberger, MdB