Frage an Petra Bierwirth von Mathias B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Bierwirth,
aus Ihrem bisherigen Abstimmungsverhalten zu Einsätzen der Bundeswehr im Ausland ist zu schließen, dass Sie bei der Abstimmung dem Tornado-Einsatz höchst wahrscheinlich zustimmen werden. Mich würde interessieren, was Ihre Beweggründe dafür sind.
Mit freundlichen Grüßen
Mathias Blankenburg
Sehr geehrter Herr Blankenburg,
vielen Dank für Ihre Anfrage bzgl. der Abstimmung zum Einsatz deutscher Aufklärungstornados in Afghanistan.
Ich werde dem Einsatz der Aufklärungstornados zustimmen.
Im folgenden möchte ich die Gründe für meine Entscheidung erläutern:
Die immer noch angespannte Gefährdungslage vor allem im Süden des Landes erfordert die Bereitstellung ausgewählter militärischer Fähigkeiten für die Bekämpfung des Terrors und zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten. Seit dem letzten Jahr hat sich die Anzahl der Selbstmordattentate in Afghanistan verfünffacht. Die gewaltbereite Opposition, regionale "War Lords" und die organisierte Kriminalität sind immer noch bestimmende Faktoren für die Sicherheitslage in Afghanistan.
Nach wie vor sickern militante Taliban-Anhänger über die 2.400 km lange Grenze zu Pakistan ein. Diese stellen nicht nur für die Soldaten der internationalen ISAF-Schutztruppe eine Gefahr dar - sie drohen auch, die gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Fortschritte für die Menschen im Land kaputt zu machen. Darüber hinaus fordern die Anschläge der Taliban-Kämpfer immer mehr zivile Opfer.
Mit der Bereitstellung der "RECCE-Tornados" zur Luftaufklärung wird Deutschland einen Beitrag dazu leisten, dass vor allem der unsichere Süden des Landes über bessere Informationen über die aktuelle Gefährdungslage verfügt. Mehr Sicherheit und mehr Schutz liegt auch im Interesse des deutschen Kontingents in Nordafghanistan.
Ganz klar ist: Wir haben für Afghanistan eine gemeinsame Verantwortung. Es gibt keine getrennte Sicherheit im Norden und im Süden.
Die Aufklärungskapazitäten der Tornados sind unverzichtbar für eine aussichtsreiche Strategie am Boden. Mit diesem Einsatz werden die Informationen präziser und die Gefahr ziviler Opfer geringer. Der Schaden, der angerichtet wird, wenn versehentlich ein Dorf bombardiert wird oder eine Hochzeitsgesellschaft, ist nie wieder gutzumachen, wenn wir die Herzen der Bevölkerung in Afghanistan gewinnen wollen.
Unser Ziel ist schließlich, den Stabilisierungsprozess in Afghanistan voranzubringen und nicht die Konflikte zu verschärfen.
Zudem soll die internationalen ISAF-Schutztruppe, die derzeit rund 33.000 Soldaten umfasst, die Autorität der gewählten Zentralregierung stärken und den Wiederaufbau des Landes voranbringen. Das gelingt aber nur in einem relativ sicheren Umfeld.
Es bleibt bei den klar getrennten Mandaten und Aufgaben zwischen ISAF und dem Antiterrormandat "Operation Enduring Freedom" (OEF). Dies wird so auch für Einsätze der "RECCE-Tornados" gelten: Eine regelmäßige Weitergabe umfassender Aufklärungsergebnisse an Dritte ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Natürlich wird eine enge Koordinierung zwischen beiden Operationen angestrebt, ja ist ausdrücklich erwünscht. Aufklärungsergebnisse der Tornados werden aber nur dann weitergegeben, wenn dies zur Erfüllung oder Unterstützung der ISAF-Operation oder zur Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist.
Die Bekämpfung der Gewalt in Afghanistan erfordert einen umfassenden und nachhaltigen Ansatz. Militärische Mittel sind dabei nur ein - allerdings unerlässliches - Element, das von polizeilichen, politischen, entwicklungspolitischen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen begleitet werden muss.
Es liegt in unserem eigenen Interesse, dass Afghanistan nicht wieder die Basis und Ausbildungsstätte für militante, gewaltbereite Fanatiker wird. Dies hätte verheerende Auswirkungen nicht nur auf die gesamte Region, sondern auch auf die Sicherheit bei uns.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Bierwirth