Frage an Peter Wichtel von Detlev B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Wichtel,
am 28. Februar 2013 hat der Bundestag auch mit Ihrer Stimme Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/12394), der Linksfraktion (17/12482) und der SPD (17/12519) abgelehnt, die zum Ziel hatten, eine Privatisierung der Wasserversorgung als Folge von Vorgaben der EU zu verhindern.
"Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, den EU-Richtlinienvorschlag zu den Dienstleistungskonzessionen, zur sogenannten Inhouse-Vergabe von Kommunen und zur interkommunalen Zusammenarbeit zu stoppen oder weitreichende Ausnahmen zu erwirken."
Den Antrag lehnten in namentlicher Abstimmung 291 Abgeordnete ab, 249 stimmten ihm zu. Es gab 8 Enthaltungen.
Das "Recht auf Trinkwasser" wurde im Jahr 2010 von Bolivien der UN-Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt und es stimmten 122 Staaten zu (von 163 Staaten, es "fehlten" also 30, für die das Thema wohl nicht wichtig genug gewesen ist).
Bei bisherigen "Privatisierungen" in anderen Ländern wurde zwar keine qualitative Verbesserung des Trinkwassers erreicht (z.B. Portugal), aber es wurde zumeist teurer.
Auch in Berlin wurde das Wassernetz im Jahre 2000 zu 49% an RWE und den französischen Multi Veolia verkauft. Das Wasser wurde seitdem um ca. 40 % teurer, etwa 25 % der ursprünglichen Mitarbeiter wurden entlassen (brachte den neuen "Besitzern" einen Millionengewinn ein).
Ende Oktober 2012 wurden aufgrund eines Landtagsbeschlusses die RWE-Anteile jedoch wieder für ca. 620 Millionen Euro zurückgekauft und das Land Berlin hat seinen Anteil an der "Berlinwasser Gruppe" von ca. 50 % auf 75 % erhöht.
Auf der Internet-Seite "right2waters" wurden bereits über 1,2 Millionen Unterschriften gesammelt
("Wasser und Sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht").
Meine Frage lautet: Warum haben Sie gegen den Antrag gestimmt ?
Mit freundlichen Grüßen
Detlev Bock
Sehr geehrter Herr Bock,
im Bezug auf Ihre Frage zu einer möglichen Privatisierung der Wasserversorgung will ich gerne verdeutlichen, dass ich ebenso wie die gesamte CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung ausdrücklich ablehne.
Daher haben wir uns auch deutlich gegen den von Ihnen erwähnten ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie ausgesprochen, da dessen vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen würde, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Der Deutsche Bundestag hat sich daher auf Drängen der Koalitionsfraktionen und unabhängig von den von Ihnen angesprochenen Anträgen der Opposition gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessions-Richtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt.
Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallenzulassen, hat nun Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat vor wenigen Wochen eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten (z.B. der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung) betrachtet werden kann.
Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden.
Seien Sie versichert, dass wir uns hierfür im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten auch weiterhin mit Nachdruck einsetzen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Wichtel