Frage an Peter Wichtel von Detlev B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Wichtel,
am 29.06.2012 haben Sie für den sog. ESM-Rettungsschirm gestimmt, am 19.07.2012 haben Sie auch dem 100-Milliarden-Hilfspaket für Spanien zugestimmt.
Auf Ihrer Homepage steht zu diesem Thema in der Überschrift u.a.: "Hilfe gegen strikte Auflagen".
Nichts für ungut, Herr Wichtel, aber woher nehmen Sie bitte die Gewissheit, daß Spanien (oder ein anderes, klammes EU-Land), sich an irgendwelche "Auflagen" halten wird.
Das hat noch kein Euro-Land in den letzten zwanzig Jahre getan...also warum sollten sie jetzt damit anfangen. Griechenland hätte niemals in den Euro aufgenommen werden dürfen und sogar Deutschland hat mehr als 2 Billionen Euro Schulden und verletzte die Euro-Kriterien in den letzten Jahren mehrfach. Die Schulden Belgiens liegen über 100% (in Relation zum BIP), Slowenien ist ebenso pleite wie Sizilien (mit ca. 5,7 Milliarden Euro). Frankreich und Italien wanken ebenfalls und würden somit auch als ESM-Einzahler ausfallen (womit Deutschlands Haftungssumme automatisch steigen würde).
Die im Maastricht-Vertrag festgelegte "No-Bail-Out"-Klausel wurde ignoriert und soll sogar nachträglich "passend" gemacht werden.
Vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl wurde 1998 in einer Rede im Bundestag zur Euro-Einführung feierlich verkündet, daß kein Land jemals für die Schulden eines anderen Euro-Landes wird aufkommen müssen.
Frage 1: Ist Ihr ehemaliger Parteivorsitzender ein Lügner ?
Frage 2: Warum glauben Sie, daß sich "die Märkte" von schlappen 100 Milliarden Euro (von denen Deutschland für ca. 30 % bürgt) wird beruhigen lassen, wenn doch zahlreiche Ökonomen der Meinung sind, daß spanische Banken mehrere hundert Milliarden Euro benötigen werden ?
Frage 3: Dass Deutschland vom Euro profitiert hat und dieser deshalb "gerettet" werden muß, scheint nur in Politikerkreisen geglaubt zu werden. Warum ist das so ?
Frage 4: Glauben Sie, daß die CDU noch eine demokratische Partei mit christlichen Werten ist ?
Mit freundlichen Grüssen
Detlev Bock
Sehr geehrter Herr Bock,
wie schon mehrfach auf verschiedene Anfragen auf abgeordnetenwatch.de hin geäußert bin ich, wie im Übrigen die große Mehrheit aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch, der Meinung, dass der Weg der Bundesregierung bei der überaus herausfordernden und bisher noch nie dagewesenen Aufgabe der Stabilisierung des Euro richtig ist.
Selbstverständlich gibt es alternative Wege und Lösungen abseits von ESM und Fiskalpakt. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass diese Möglichkeiten mit zu großen Risiken und ökonomischen und sozialen Folgen verbunden sind und daher keine Zukunftsmodelle für Deutschland und Europa darstellen.
So fordern beispielsweise Teile der Opposition immer wieder die Einrichtung eines Finanzausgleichssystems, in dem derjenige, der als reicher gilt, regelmäßig Mittel in diejenigen Staaten transferiert, die als ärmer gelten. Wir lehnen jede Form der Transferunion bzw. Haftungsgemeinschaft zu Lasten des deutschen Steuerzahlers strikt ab.
Auch die immer wieder propagierte Auflösung der Eurozone wäre durch die sehr engen finanz- und wirtschaftspolitischen Bindungen unseres Landes mit dem Euro-Raum und mit der Europäischen Union überaus komplex und tiefgreifend. Das Auseinanderbrechen des Euros würde zu erheblichen Wechselkursanpassungen führen. Im Grunde würden wir in Deutschland mit einer neuen eigenen Währung eine beachtliche Aufwertung erfahren, die unsere mühselig in den letzten Jahren erarbeitet Leistungsfähigkeit entwertet. Des Weiteren dürfte es aufgrund der Situation der Banken und Finanzinstitute auch auf den Finanzmärkten zu Turbulenzen führen, was die Refinanzierung von Unternehmensinvestitionen, aber auch von staatlichen Defiziten erschweren würde. Eine noch größere Gefahr besteht in den sog. Zweit- und Drittrundeneffekten, die sich in einer solch komplexen Situation zweitverzögert ergeben würden, die aber niemand wirklich vorhersehen kann. Die Auswirkungen insgesamt würden uns erheblich treffen und zu wirtschafts- und sozialpolitischen Verwerfungen führen. Eine Rückkehr zu nationalen Währungen ist daher keine verantwortungsbewusste Lösung.
Abschließend betrachtet glaube ich nicht nur, dass der Weg der Bundesregierung richtig ist, ich sehe zudem bei allem berechtigten Respekt vor der herausfordernden Situation der Stabilisierung des Euro keine akzeptable und verantwortungsvolle alternative Handlungsoption.
Selbiges gilt im Übrigen auch für die jüngsten Finanzhilfen für Spanien. Auch hier bin ich überzeugt, dass unsere gemeinsame Währung durch das Hilfspaket stabilisiert wird und dass zudem die Sparanstrengungen der spanischen Regierung Früchte tragen werden. An den überaus positiven Beispielen von Irland und Portugal wird meiner Ansicht nach übrigens deutlich, dass es unbestreitbare Erfolge im Hinblick auf die Entwicklung hilfesuchender Staaten gibt.
Weiterführende Informationen finden Sie diesbezüglich immer auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums unter www.bundesfinanzministerium.de .
Mit freundlichen Grüßen
Peter Wichtel