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Frage von Andreas E. •

Frage an Peter Wichtel von Andreas E. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Wichtel,

Sie sind Mitglied im Ausschuss "Verkehr, Bau und Stadtentwicklung".

Im Dossier der "Zeit" von letzter Woche stand ein Bericht der mich schockiert hat. Sie können ihn gerne hier nachlesen:

http://www.zeit.de/2010/29/DOS-Autobahn?page=all

Es geht um eine klammheimliche Privatisierung der Instandhaltung und des Neubaus von Autobahnen.

Es würde mich dabei interessieren:

- Haben Sie den Vertrag mit Bilfinger und Berger gesehen und gelesen?

- Kommmen Sie zur gleichen Ansicht wie Herr Ramsauer, der meint "er sei anderer Meinung" als der Präsident des Bundesrechnungshofs?

- Wenn ja, können Sie mir das begründen?

- Können Sie mir bitte erklären wie das Bundesverkehrsministerium den wirtschaftlichen Vorteil für den Staat auf 10,02 Prozent berechnet (für die nächsten 30 Jahre!!!) und der Bundesrechnungshof dies anders sieht?

- Können Sie mir bitte erklären warum die Risikoverteilung bei dem Bau so aussieht: »Die Risikoverteilung erfolgte grundsätzlich nach dem Prinzip, dass jeder das Risiko zu tragen hat, das er am besten beherrschen kann.«? Hat die CDU denn nichts dazugelernt?

- Können Sie mir bitte erklären warum das alles Verschlusssache ist?

vielen Dank für Ihre Antworten.

mit freundlichen Grüßen

Andreas Ebner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ebner,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der Öffentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP) im Bundesfernstraßenbau, die mich über das Portal abgeordnetenwatch.de erreicht hat. Gerne werde ich, nachdem ich in den vergangenen Wochen diesbezüglich Informationen der zuständigen Regierungsinstitutionen eingeholt habe, im Folgenden auf den Sachverhalt eingehen.

Wie Sie dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung entnehmen können, bekennen sich die Koalitionsparteien der CDU, CSU und FDP zur Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten und auszubauen und die dafür notwendigen Investitionen auf hohem Niveau sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund sollen auch die Modelle für die Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich Privaten Partnerschaften-Projekten (ÖPP) vorangebracht werden.

Die Public Private Partnerships (PPP) haben sich in den vergangenen Jahren als Instrument zur Realisierung von öffentlicher Infrastruktur etabliert. Sie ermöglichen es der öffentlichen Hand, die notwendigen Vorhaben zeitnah umzusetzen und dabei gleichzeitig Effizienzvorteile zu nutzen. Einzelne Pilotprojekte konnten in diesem Zusammenhang bereits überaus erfolgreich umgesetzt werden.

ÖPP bedeutet dabei nicht, dass sich der Staat seiner Verantwortung für die Infrastruktur entzieht, denn es handelt sich nicht um eine materielle Privatisierung. Die ÖPP-Strecken stehen - wie im konventionellen Bereich - im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, für sie gelten die gleichen gesetzlichen und technischen Anforderungen wie für alle anderen Bundesfernstraßen. Auch im sogenannten konventionellen Bereich werden Bau, Erhaltung und in Teilen der Betriebsdienst der Bundesfernstraßen durch Private durchgeführt. Das besondere bei ÖPP-Vorhaben ist nur, dass diese Leistungen als Gesamtheit vergeben werden und nicht in zahlreichen Einzelteil- und Fachlosen und das bei ÖPP-Vorhaben - aus wirtschaftlichen Gründen - auch Risiken übertragen werden und der Private einen gewissen Eigen- und Fremdkapitalbeitrag zu leisten hat, der zugleich als Anreiz für eine möglichst qualitativ hochwertige Durchführung dienen soll.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bietet nicht nur vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, eine Übersicht der bisher realisierten PPP-Projekte in einer umfassenden Projektdatenbank zu recherchieren, die Sie unter http://www.ppp-projektdatenbank.de einsehen können.

Den Vorwurf der heimlichen Einfädelung der Geschäfte durch die Politik, mangelnde Transparenz der Bundesregierung und angeblich klammheimliche Privatisierung, wie in dem erwähnten Artikel teilweise der Eindruck erweckt wird, sehe ich allerdings nicht gegeben. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung war stets daran interessiert, die Vorbereitung und Durchführung der Projekte so transparent wie vergaberechtlich möglich und sinnvoll auszugestalten. So sind der Beschluss und die Bekanntgabe der A-Modelle im Bundesverkehrswegeplan 2003 gelistet, die diesbezüglichen Musterverträge wurden veröffentlicht.

Zudem wurden alle bisher gestarteten ÖPP-Projekte im Bundesfernstraßenbau europaweit ausgeschrieben. Die Leistungen wurden bzw. werden im Wettbewerb vergeben, bei den Vergabeverfahren waren und sind die Grundsätze der Transparenz des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung einzuhalten. Vor Vergabebeginn mussten vom Deutschen Bundestag bewilligte Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushalt ausgewiesen sein, ansonsten hätten die Vergabeverfahren nicht gestartet werden dürfen. Den Zuschlag durfte die Vergabestelle jeweils nur nach Zustimmung des BMVBS und des BMF zur Inanspruchnahme der Verpflichtungsermächtigungen erteilen.

Eine Veröffentlichung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wurde indes nicht vorgesehen, da dies im Einzelfall auch Auswirkungen auf den Wettbewerb um Folgeprojekte haben kann. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wurden nur den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur Einsichtnahme zugeleitet. Die Konzessionsverträge werden bisweilen nicht veröffentlicht, diese Vorgehensweise entspricht der auch im konventionellen Straßenbaubereich üblichen Praxis. Eine etwaige Veröffentlichung verlangt im Übrigen die Zustimmung des Konzessionsnehmers (wegen etwaiger schützenswerter Geschäftsgeheimnisse) und steht aus Sicht des BMVBS nicht an. Zusammengefasst verdeutlichen die dargelegten Verfahrensschritte, dass die Geschäfte nicht heimlich eingefädelt wurden, sondern dies so transparent wie möglich und nötig erfolgte.

Im Bezug auf die Bundesautobahn A1 gilt es anzumerken, dass der nachweislich hohe Sicherheitsstandard im Bundesfernstraßenbau auch für die A-Modelle - und somit auch für das A-Modell A1 - vertraglich vereinbart wurde. Auch die Verkehrsführung bei dem A-Modell auf der A1 entspricht den Vorgaben der in Deutschland eingeführten Regelwerke. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, der Aufmerksamkeit und des Sicherheitsgefühls der Verkehrsteilnehmer im Zusammenhang mit der regelkonformen, 11,50 Meter engen Baustellenverkehrsführung im Zuge des 72 km langen Streckenabschnittes der BAB A1 wurden 2009 zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen entwickelt. Ursache für die Unfälle sind nach Aussagen der Straßenbauverwaltung und der Polizei das Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer (zu hohe Geschwindigkeit, zu geringer Abstand) und die dadurch bedingte Häufung von Unfällen. In 2008 sind die Bagatellunfälle (Spiegelberührungen) angestiegen, nicht indes die Zahl der schweren Unfälle mit Personenschäden.

Die Verteilung der Projektrisiken, nach welcher Sie zudem gefragt hatten, erfolgt nach dem - wirtschaftlichen - Prinzip, dass jede Vertragspartei das Risiko tragen soll, das er am besten beherrschen kann. So trägt zum Beispiel das Planfeststellungsrisiko der Auftraggeber, weil nur er Einfluss auf die Planfeststellung hat/hatte. Würde dieses Risiko dem Auftragnehmer zugeordnet, würde man ihm ein - für ihn - kaum beherrschbares bzw. einschätzbares Risiko übertragen, was zur Folge hätte, dass er das Risiko entsprechend hoch bepreist und damit der Auftrag für die öffentliche Hand teurer bzw. unwirtschaftlicher werden würde. Demgegenüber trägt der Auftragnehmer das Bau(fertigstellungs)risiko, das Erhaltungs- und Betriebsrisiko. Denn diese Aufgaben werden von ihm wahrgenommen, das heißt er kann diese Risiken besser beherrschen und wird sie damit wirtschaftlicher bepreisen können als das der Auftraggeber tun könnte. Darüber hinaus gibt es auch Risiken, die nicht einer Vertragspartnersphäre zugeordnet werden können bzw. von einer besser beherrscht werden könnte als von der anderer Vertragspartner. Derartige Risiken werden zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geteilt, so zum Beispiel das Risiko höherer Gewalt.

Zur vertiefenden Lektüre bezüglich Public Private Partnerships empfehle ich an dieser Stelle gerne die Homepage der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft „VIFG“ ( http://www.vifg.de ), deren Aufgabe die Planung, Finanzierung, Bau und Bewirtschaftung - unter anderem - von Bundesfernstraßen ist. Zudem bieten die Seiten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Thematik der ÖPP-Projekte zahlreiche vertiefende Informationen. Auch bei weiteren und spezifischen Fragen zu einzelnen Bauvorhaben oder -Projekten ist es sicherlich hilfreich, sich unmittelbar an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu wenden.

Ich hoffe dass meine Ausführungen hilfreich für Sie waren und verbleibe
mit herzlichen Grüßen

Peter Wichtel