Frage an Peter Wichtel von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Wichtel!
Ich bedanke mich sehr für Ihre rasche und umfangreiche am 20.11.09 erfolgte Beantwortung meiner am 19.11.09 gestellten Fragen. Leider empfinde ich Teile Ihrer Antwort als zu unpräzise bzw. stellen sich auf Grund von mir empfundener Widersprüche neue Fragen.
So schreiben Sie in Ihrer Antwort, Zitat Herr Peter Wichtel:
"Ein einheitlicher, flächendeckender Mindestlohn würde, und diese Auffassung teilt sowohl die Mehrheit der Abgeordneten in der schwarz-gelben Koalition als auch die Bundesregierung, ein Mehr an Beschäftigung erheblich erschweren."
http://www.abgeordnetenwatch.de/peter_wichtel-575-38041--f240248.html#q240248
Auch wenn ich Ihrer Beobachtung angesichts der von mir als katastrophal empfundenen Beschäftigungssituation in Deutschland nicht unbedingt widerspreche, so vermisse ich leider eine zielführende Auseinandersetzung in Ihrer Antwort mit den Gründen für diese Entwicklung bzw. Gegenwartssituation.
Frage 1:
Warum droht ein einheitlicher, flächendeckender Mindestlohn sowohl der Ansicht der Mehrheit der Abgeordneten in der schwarz-gelben Koalition als auch der Bundesregierung zufolge ein "Mehr" an Beschäftigung zu erschweren?
Ich erinnere ausdrücklich daran, dass wir in einem der offiziell reichsten Länder der Welt (= Deutschland) leben...
Frage 2:
Sehen Sie wirklich keine Alternative dazu,
dass sich Menschen mit Brutto-Monatslöhnen unter 1000 Euro arm arbeiten müssen?
Frage 3:
Sagt ein "Nein" zum Mindestlohn nicht eindeutig "Ja" zu Armut trotz Arbeit?
Frage 4:
Unterstützt eine staatliche Subvention der Löhne nicht die Gründe der Misere?
Frage 5:
Wie geht das für Sie, die angesprochenen Kolleg(inn)en und die Bundesregierung mit dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe und Fairness zusammen, wenn Millionen Menschen in diesem Land Arbeit bzw. gut bezahlte Arbeit seit Jahren verweigert wird und scheinbar weiter verweigert werden soll?
Mit freundlichen Grüssen Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
lassen Sie mich Ihnen erneut meine Auffassung bezüglich flächendeckender gesetzlicher Mindestlöhne darlegen.
Wie bereits geschildert verstehe ich es als Aufgabe der Tarifparteien, die Löhne am Markt und in den Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften festzulegen. Es muss auch weiterhin deren Aufgabe sein, Arbeitsverträge auszuhandeln, nicht die des Staates.
Zudem birgt die Festlegung einer Mindestlohngrenze die Gefahr, dass die Arbeitskosten ansteigen und insbesondere einfachere und weniger produktive Arbeitsplätze für Geringqualifizierte wegfallen. Unternehmen würden keine weiteren Arbeitsplätze schaffen und die vorhandene Arbeit auf die Mitarbeiter verteilen. Auch die Arbeitsverlagerung in das Ausland würde für Arbeitgeber eine attraktive Option darstellen. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde vielleicht den bereits in Arbeit befindlichen zu Gute kommen. Den Chancen derer, die Arbeit suchen, wäre er aber nicht dienlich. Im Gegenteil. Insbesondere für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte würde die Teilnahme am Erwerbsleben und das Finden einer Beschäftigung eine noch größere Herausforderung darstellen. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn mag vielleicht die Höhe der Vergütung sichern, nicht aber Arbeitsplätze. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sollte aber sowohl die Sicherung als auch das Schaffen von Arbeitsplätzen die höchstmögliche Priorität haben.
Ich verweise zudem gerne erneut auf das verlässliche soziale System der Bundesrepublik, das eine Aufstockung des Einkommens mit Hilfe staatlicher Leistungen ermöglicht und eine Grundsicherung des Lebensunterhaltes garantiert.
Lassen Sie mich abschließend kurz anmerken, dass ich Ihre Beiträge zur Thematik des Mindestlohns durchaus zu schätzen weiß, auch wenn wir diesbezüglich offensichtlich unterschiedlicher Auffassung sind. Es ist unser aller gutes Recht - und gleichzeitig das maßgebliche Zeichen einer funktionierenden Demokratie - dass wir in einer Diskussion unterschiedliche Ansichten haben und beibehalten können.
Mit besten Grüßen,
Peter Wichtel