Frage an Peter Tauber von Klaus-Peter S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Tauber,
die Null-Zins Politik der EU einhergehend mit der weiter steigenden Teuerungsrate (zuletzt 1,7%) schädigt Ersparnisse und die notwendige Altersvorsorge der Menschen die hier schon länger leben!
Die Bundesregierung hält sich diskret zurück weil der Finanzminister von dieser Situation zu Lasten der Bürger profitiert! Ist die Bundesregierung handlungsunfähig, oder will sie zum finanziellen Schaden der Bürger gar nicht handeln?
Mit freundlichem Gruß
Klaus-Peter Steinberg
Sehr geehrter Herr Steinberg,
die seit einigen Jahren andauernde Niedrigzinsphase bringt verschiedene Auswirkungen auf die Finanzbranche, die öffentlichen Haushalte und die Realwirtschaft mit sich. Nicht zuletzt sind Sparerinnen und Sparer betroffen.
Als Koalition haben wir in dieser Legislaturperiode bereits das Lebensversicherungsreform- und das Bausparkassengesetz verabschiedet. Beide Gesetze waren eine Reaktion auf die Niedrigzinsphase. Natürlich leiden darunter auch die Banken, die große Schwierigkeit haben, in diesem Umfeld noch Erträge zu erwirtschaften.
Wir beobachten das Handeln der EZB daher sehr genau und mit wachsender Sorge. Gerade Deutschland hat sich aber – aus guten Gründen – bei der Errichtung der EZB für eine starke Unabhängigkeit der Zentralbank von der Politik ausgesprochen. Die Möglichkeiten als Gesetzgeber sind daher gering.
Ein Trend zu immer niedriger werdenden Zinsen ist kein Phänomen erst der EZB, sondern schon seit einigen Jahrzehnten zu beobachten, auch bereits zu D-Mark-Zeiten. Dabei muss man aber das Verhältnis von Inflation und Zinsniveau, also den Realzins, im Auge behalten. Dieser Realzins war in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Phasen nahe Null. Auch, dass sich Spargeld über einen gewissen Zeitraum negativ verzinst, ist nicht erst im aktuellen Zinsumfeld zu beobachten. In Zeiten höherer Inflation überwogen nach Daten der Bundesbank historisch betrachtet sogar die Zeiträume mit negativer Realverzinsung. Der Unterschied ist, dass in früheren Zeiten Sparer zumindest mit langfristigen Anlagen immer eine positive Rendite erwirtschaften und so etwas für den eigenen Vermögensaufbau tun konnten. Die Auswirkungen auf die Sparer, die Altersvorsorge und die Pensionslasten der Unternehmen sind also umso schwerwiegender, je länger die Niedrigzinsphase andauert.
Der Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg ist aber nicht allein die Geldpolitik, sondern vor allem das Vertrauen in eine nachhaltige, zukunftsgerichtete Reform- und Haushaltskonsolidierungspolitik. Hier sind die nationalen Regierungen gefragt. Solange viele von ihnen nicht konsequent wirtschaftliche und haushalterische Reformmaßnahmen durchsetzen, wird sich dieses Vertrauen nicht einstellen. Die Unternehmen werden so auch nicht im erhofften Umfang kreditfinanziert investieren. Wichtig ist dabei aber vor allem, dass es bei den erwünschten Investitionen nicht um Masse, sondern künftig vor allem um Qualität gehen muss. Nicht umsonst reiht sich Spanien, das noch immer unter seiner geplatzten Immobilienblase leidet, 2015 mit einem Haushaltsdefizit von 5,1 % vom BIP auf Platz 2 hinter Griechenland (7,2 %) ein. Auch Frankreich mit 3,5 % und Portugal mit 4,4 % befinden sich weiterhin unter den Defizitsündern. Gleichzeitig weisen diese Länder – mit Ausnahme Spaniens – ein unterdurchschnittliches Wachstum auf. Die Wirtschaftslage ist umgekehrt in den Ländern besonders gut, in denen es eine solide Haushaltspolitik gibt.
Wir sind momentan gezwungen, die negativen Folgen der Geldpolitik national auf der politischen Ebene wenigstens abzumildern. Im Rahmen des Lebensversicherungsreformgesetzes und des Bausparkassenänderungs-gesetzes sind wir als Gesetzgeber daher bereits entsprechend tätig geworden. Im Bereich der Pensionsrückstellungen in den Unternehmen haben wir zwar schon erste Maßnahmen ergriffen, sehen aber auch noch steuerlichen Handlungsbedarf. Daneben müssen wir den Immobilienkreditsektor weiterhin sehr genau im Auge behalten, um Blasenbildungen zu verhindern. Immobilienkreditzinsen von weit unter zwei Prozent für zehnjährige Darlehen haben das Potenzial, auch Menschen zum Kauf zu verleiten, die sich die anziehenden Immobilienpreise gar nicht leisten können. Der Bestand an Wohnimmobilienkrediten liegt derzeit auf einem Rekordniveau von 1.230 Mrd. Euro. Der Ausschuss für Finanzstabilität und die Bundesbank sehen deshalb bereits Anfänge einer Überhitzung und mahnen, strengere Regeln für die Immobilienfinanzierung zu erarbeiten.
Die EZB muss gerade vor dem Hintergrund ihrer Unabhängigkeit ihre Maßnahmen immer wieder neu öffentlich erklären. Vor allem aber muss sie ernsthaft an einem mittelfristigen Ausstiegsszenario arbeiten, um das ihr von Politik, Wirtschaft sowie Sparerinnen und Sparern entgegengebrachte Vertrauen weiter zu rechtfertigen.
Ich hoffe, Ihre Fragen konnten hiermit beantwortet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Tauber