Frage an Peter Tauber von Thomas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Tauber,
Flüchtlinge ertrinken zu Tausenden im Mittelmeer. Kinder Frauen, Männer. Das Thema ist Gegenstand der Politik, es wird geredet, wenig gehandelt und das Sterben geht munter weiter:
"Ein Flüchtlingsboot ist auf dem Weg von Libyen nach Italien gekentert. An Bord waren offenbar rund 700 Menschen. 28 Menschen konnten von einem Handelsschiff gerettet werden, Hunderte werden aber vermisst.(...)"Im Moment müssen wir befürchten, dass dies eine Tragödie von gewaltigem Ausmaß ist", sagte Carlotta Sami, Sprecherin des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (...).
Nach bisheriger Schätzung waren in diesem Jahr 900 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Allein am vergangenen Sonntag sind möglicherweise rund 400 Menschen ums Leben gekommen, als ein Boot auf dem Weg von Libyen nach Italien kenterte. Sollte sich die Opferzahl von rund 700 Toten bewahrheiten, wäre das Unglück von Samstagnacht die bisher größte Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.
2014 zählten die Behörden 3500 Tote (...) Allein in der vergangenen Woche hatten Italiens Küstenwache und die Marine etwa 11.000 Migranten im Mittelmeer gerettet.
ARD- Kommentator Markus Preiss erkennt das massive Versagen (gerade auch der deutschen) Politik:
"Eine Schande für Europa. Für alle, die es heute schlimm finden, was da vor Sizilien passiert, aber morgen bloß keinen Flüchtling in der städtischen Turnhalle sehen wollen. Eine Schande für unsere Politiker, allen voran die EU-Innenminister der letzten 20 Jahre. Und eine Schande für ganz viele von uns, die klammheimlich froh waren, dass da jemand unsere Haustür so fest zudrückte wie nur irgend möglich.""
Wie lange sollen wir noch dem elendigen Sterben im Mittelmeer zusehen?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
bitte entschuldigen Sie meine so verspätete Antwort. In den vergangenen Monaten haben mich außerordentlich viele Briefe und Mails erreicht, sodass die individuelle Beantwortung viel Zeit in Anspruch nimmt. Deshalb möchte ich nun die Gelegenheit nutzen.
Ich habe Ihre Einschätzung aufmerksam gelesen. Wir sind einer Meinung: Die Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eine der größten Herausforderungen dieser Zeit. Auch, weil sie so viele andere Aspekte mit einschließt: Die Fluchtursachen, Integration und die internationale Bedeutung. Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Noch nie waren mehr Menschen weltweit auf der Flucht. Die Gründe dafür sind Krieg, Terror, politische Verfolgung und mittlerweile auch der Klimawandel. Die Vereinten Nationen schätzen, dass rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind.
Die Weltgemeinschaft hilft deshalb: In den betroffenen Ländern selbst, und auch durch internationale Strukturen, wie das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen. Auch Deutschland hilft. Das Recht auf Asyl ist in unserem Grundgesetz verankert. Wir gewähren den Menschen Schutz, die vor Krieg und Terror fliehen – und gewähren denen Asyl, die politisch verfolgt werden. Diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen, werden wieder gehen müssen. Denn nur so können wir denen, die tatsächlich aus großer Not zu uns kommen, helfen. Die Kapazitäten sind nicht unbegrenzt. Wie eingangs gesagt – diese neue Dimension der Asyl- und Flüchtlingspolitik ist global. Und deshalb ist die Lösung der vor uns liegenden Herausforderung nur europäisch am nachhaltigsten. Nur mit einer gesamteuropäischen Lösung kann verhindert werden, dass mit einer Schließung der Binnengrenzen die Fluchtrouten verlagert würden.
Der Schlüssel zur Lösung dieser Herausforderung liegt nicht zuletzt in der konsequenten Bekämpfung der Fluchtursachen. Daran wird aktuell intensiv gearbeitet. Allein in dieser Legislaturperiode gibt die CDU-geführte Bundesregierung über 12 Milliarden Euro für die Bekämpfung struktureller Fluchtursachen aus. Mit diesen Mitteln werden unter anderem Herkunfts-, Erstaufnahme- und Transitländer mit Notunterkünften, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und weiteren Maßnahmen unterstützt. Dadurch verbessert sich die Situation der innerhalb und außerhalb von Flüchtlingslagern Lebenden in der Türkei, im Libanon und in Jordanien. Mehr Flüchtlinge können in ihrer Heimatregion bleiben, bis es wieder eine Möglichkeit zur Rückkehr in das eigene Land gibt.
Zuletzt sind die Flüchtlingszahlen erheblich zurückgegangen. Zwar erfordert die aktuelle Situation nach wie vor unsere vollste Aufmerksamkeit und ist noch nicht vollständig gemeistert, doch der Weg, den Deutschland eingeschlagen hat, zahlt sich bereits aus. Nicht nur in Deutschland arbeiten wir mit Hochdruck an einer Lösung. Ereignisse dieser Dimension verlangen eine gesamtgesellschaftliche – und hier eine internationale Entscheidungsfindung. Und dementsprechend wird gehandelt: auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. Das ist der nachhaltige, dauerhafte Weg zu einer Lösung dieser Krise.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Tauber MdB
Generalsekretär der CDU Deutschlands