Frage an Peter Tauber von Carsten S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Tauber,
gerade habe ich gelesen, dass im hessischen Landtag die Fraktionen von CDU und FDP einen Gesetzesentwurf von SPD und Grünen zu einem Landesinformationsfreiheitsgesetz abgelehnt haben. Eine ganze Reihe anderer Bundesländer und der Bund selbst verfügen bereits über solche Gesetze. Wieso möchte nicht auch Hessen einen wichtigen Schritt tun in Richtung mehr Transparenz und Bürgernähe? Die Begründung, seitens einiger Landtagsabgeordneter war laut Presseberichten: Bürger hätten bereits genug Auskunftsrechte! Man wolle kein "Bürokratiemonster" und keine "Schnüffelgesetze".
Mich würde interessieren, wie Sie als Mitglied der neugegründeten Enquete-Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft" und Abgeordneter eines hessischen Wahlkreises zur Ablehnung des Gesetzentwurfs für ein Landes-IFG in Hessen stehen? Gerade vor dem Hintergrund, dass eines der Themen in der neuen Kommission auch die Entwicklung von Strategien für einen freien Zugang zu staatlichen Informationen (Open Data) sein soll.
Sehr geehrter Herr Sinß,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Grundsätzlich trete ich für größtmögliche Transparenz bei politischen und gesellschaftlichen Prozessen ein, um den Bürgerinnen und Bürgern die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen zu ermöglichen. Die christlich-liberale Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag deutlich für ein Internet der Freiheit ausgesprochen:
„Wir werden unsere Politik auch daran ausrichten, die gesellschaftliche Veränderung durch Internet und neue Medien positiv zu begleiten und die Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Menschen in Deutschland zu berücksichtigen. Dabei werden wir Innovations- und Standortpolitik, Verwaltungsmodernisierung, Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessengruppen sowie Datenschutz und Netzsicherheit in unserer Politik verbinden.“
Dazu gehört nach meiner Auffassung, dass Bürger auch Einblick in Daten haben sollen, die über sie gespeichert sind. Was die grundsätzliche „Öffnung“ von Daten angeht, die der Staat für seine Arbeit erhebt, so bin ich skeptisch, inwieweit dies wirklich sinnvoll ist. Zu leicht könnten dann Daten in falsche Hände fallen. Es kann nicht im Interesse der Bürger liegen, wenn persönliche Daten für jedermann frei zugänglich werden.
Insbesondere der Begriff „staatliche Informationen“ ist so ungenau und wenig präzise, dass die hier bisher vorliegenden Konzepte wenig überzeugend sind. Sind z.B. die Steuerdaten des Nachbarn nicht auch staatliche Informationen, die man eigentlich herausgeben könnte? Ich denke nicht, dass dies im Sinne der Menschen in unserem Land ist. Die Diskussionen über Datenschutz in sozialen Netzwerken oder die Nutzung von Google Street View zeigt doch, dass Bürger einen brauchbaren Schutz ihrer Daten wollen und dass sie gegen eine Weitergabe sind. Diesem Wunsch sollte auch auf staatlicher Ebene entsprochen werden.
Dies heißt jedoch nicht, dass die Bürger nicht an politischen Entscheidungen beteiligt werden sollen. Gerade im kommunalen Bereich lässt sich durch mehr Beteiligung und Transparenz bei Verwaltungsentscheidungen sicherlich eine Menge verbessern und die Akzeptanz bei administrativen Vorgängen erhöhen. Insofern bin ich auch dafür, dass die Enquete-Kommission dieses Thema behandeln und die Chancen von Open Data diskutieren sollte.
Derzeit sehe ich allerdings keine Notwendigkeit, in Hessen ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, wie es SPD und Grüne vorgeschlagen haben. Der Hessische Landtag hat sich mit dieser Thematik ausführlich, u.a. in einer Anhörung, auseinandergesetzt und ist zu der Erkenntnis gelangt, dass der Gesetzentwurf keinerlei Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger bringt und statt dessen enorme Kosten verursachen könnte. Insbesondere die kommunalen Spitzenverbände waren übereinstimmend der Auffassung, dass die bestehenden Akteneinsichtsrechte den Informationsrechten der Bürger umfassend Rechnung tragen.
Es ist zwar zutreffend, dass der Bund und 11 Bundesländer ein Informationsfreiheitsgesetz haben. Die bloße Existenz eines Gesetzes ist aber kein Beleg dafür, dass bei den Bürgern ein zusätzlicher Bedarf besteht. Der tatsächliche Bedarf konnte – auch in der Anhörung - in keinem der Länder belegt werden. Des Weiteren hatte das Informationsfreiheitsgesetz z.B. in Berlin zur Folge, dass Gruppen wie Scientology die Verwaltung flächendeckend mit Anfragen überzogen haben. Auch andere extremistische Gruppe könnten dieses Mittel nutzen, um z.B. politische Gegner zu durchleuchten. Dies kann wohl kaum im Sinne des Gesetzgebers und der Bürger sein.
Für mich gilt: Transparenz bei politischen Prozessen und Entscheidungen halte ich für sehr wichtig; der Schutz der Privatsphäre ist jedoch genauso wichtig und sollte nicht durch eine vermeintliche „Informationsfreiheit“ unterminiert werden. Insofern kann ich auch ein solches Gesetz derzeit nicht unterstützen.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen geholfen zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Tauber