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Frage von Nico W. •

Frage an Peter Struck von Nico W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Die Unabhängigkeit der Republik Kosovo wurde von Deutschland anerkannt, andere seperatistische Bewegungen bestimmter Völker werden hingegen abgelehnt.
Beim Kosovo liegen die Gründe ja ziemlich klar auf der Hand: Es hat einen quasi Völkermord gegeben und einen längeren blutigen Bürgerkrieg, der es unmöglich macht, dass die Kosovo-Albaner mit den Serben eine Willensnation, einen Staat bilden können.
Nun die Frage ist, was ist mit dem Vielvölkerstaat Georgien. Dort sind ja gleich 3 Teilstaaten abtrünnig, dennoch soll dort trotz (Bürger)Krieg die "Territoriale Integrität" gewahrt bleiben. ([Bürger]Krieg herrschte dort ja schon vor dem aktuellen Konflikt mit der Russischen Föderation unter den Staaten Georgiens.)

Daher lautet meine Frage wie folgt:

Was für Vorraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich ein Staat aus einem anderen ohne gegenseitiges Einvernehmen ausgliedern kann und von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt wird?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wittschief,

die Situation in Georgien ist mit der Serbiens und des Kosovo in
mehrerer Hinsicht nicht vergleichbar.

Die albanische Bevölkerung im Kosovo war über Jahre schweren Repressionen seitens der serbischen Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt, die ohne Eingreifen der NATO Ende der 90er Jahre zweifellos in einer humanitären Katastrophe geendet wären.

Mit der UN-Resolution 1244 wurde 1999 eine internationale Friedensregelung vereinbart, in der der endgültige Status des Kosovo allerdings nicht abschließend geregelt war. Die Vereinten Nationen haben sich deshalb über mehrere Jahre um eine Verhandlungslösung zwischen der serbischen Regierung und den Vertretern der Kosovo-Albaner bemüht. Der ehemalige finnische Präsident Martti Ahtisaari hat als UN-Sondergesandter über 15 Monate lang versucht, mit den Konfliktparteien eine solche Lösung zu finden. Nachdem der sogenannte Ahtisaari-Plan, der eine Art bedingter Unabhängigkeit des Kosovo bei garantierten Rechten für die serbische Minderheit vorsah, von beiden Seiten nicht mitgetragen wurde, ist ein erneuter Anlauf unter Vermittlung der sogenannten Troika bestehend aus der EU, den USA und Russland unternommen worden, bei dem weitere Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung ausgelotet wurden. Erst als auch diese Verhandlungen kein Ergebnis gebracht haben, hat das Kosovo am 17. Februar 2008 einseitig seine Unabhängigkeit erklärt.

Nachdem sich eine Verhandlungslösung als nicht erreichbar erwiesen hatte, hat sich die Bundesregierung, gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit der anderen EU-Staaten entschlossen, Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen. Bei der Entscheidung spielte auch die Tatsache eine entscheidende Rolle, dass die Kosovo-Albaner über viele Jahre von serbischer Seite massiv und systematisch unterdrückt worden waren. Die Bundesregierung hat angesichts dieser Vorgeschichte betont, dass sie Kosovo als einen besonderen Fall betrachtet, der nicht als Präzedenzfall angesehen werden kann.

Im Falle Georgiens sind die Chancen für eine einvernehmliche Lösung aus meiner Sicht noch lange nicht ausgeschöpft. Einen dem Kosovo vergleichbaren Verhandlungsprozess unter Vermittlung der UN und unter Beteiligung aller maßgeblichen Akteure hat es bislang nicht gegeben. Die einseitigen Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens sind mit der Unabhängigkeitserklärung der kosovarischen Regierung aus den genannten Gründen deshalb ebenso wenig zu vergleichen, wie die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Russland mit der Anerkennung des Kosovo durch die Mehrheit der EU-Staaten.

Mit freundlichen Grüßen