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Frage von Karl Otto B. •

Frage an Peter Struck von Karl Otto B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Struck,

von Ihnen stammt der Ausspruch: Unsere Sicherheit wird am Hindukush verteiligt.
Glauben Sie im ernst oder sind davon überzeugt, daß wir die Taliban vernichten müssen, da sie sonst in Europa eindringen und uns vernichten werden?
Ich als Exporteur im Graphischen Gewerbe hatte über Jahrzehnte gute Exportmärkte im Irak, im Iran, zum Libanon, Jordanien. Jetzt beliefern wir nur noch Israel. Alle anderen Märkte, wo wir nette, freundliche Geschäftspartner hatten, sind verstummt. Sind verloren.
Selbst die ärgsten angeblichen Terroristen sind doch auch nur Menschen und nicht dem Abschuss freigegeben. Sollte man nicht eher versuchen, diese "schwierigen Brüder" mit an den Verhandlungstisch zu bekommen und sie "umpolen".

Kriege versetzen Nationen weit zurück ins Mittelalter, und nachdem wir als Besatzer alles zerstört haben werden, dürfen wir alles wieder aufbauen. Warum eigentlich lernt die Menschheit nie dazu und wird weiser? -- Wenn alle Soldaten NEIN sagen würden und sich nur auf die Verteiligung des Vaterlandes zum Einsatz bereit erklären würden, dann könnten die Politiker, die unbedingt Krieg wollen, selbst nach Afghanistan reisen und sich zum Krüppel schießen lassen.

NEIN zu weiteren Auslandseinsätzen ist mein Vorschlag, denn niemand wird es wagen unser nun vereintes Europa anzugreifen.
Der Krieg in Afghanistan hat uns doch schon Milliarden Euro gekostet für nichts und wieder nichts. Den Leuten eine Demokratie aufzuzwingen wird noch Jahrzehnte dauern, da leben Sie und ich nicht mehr und unser Deutschland wird über beide Ohren mit Kriegslasten verschuldet sein. Ich betrachte unsere Auslandseinsätze als grobe Fehler, ja als Schwachsinn, und die überwiegende Zahl des deutschen Volkes steht hinter mir. Da brauchen Sie nur einmal eine Befragung Ihrerseits starten.
Über eine ehrliche Antwort von Ihnen würde ich mich freuen.

Karl Otto Becker

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Becker,

In Afghanistan leistet Deutschland gemeinsam mit den internationalen Partnern und auf Grundlage mehrerer UN-Resolutionen seit einigen Jahren wertvolle Arbeit beim Wiederaufbau des Landes. Diese Bemühungen werden vom ganz überwiegenden Teil der afghanischen Bevölkerung sehr hoch geschätzt. Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen von ISAF ist ein wichtiges Element dieses Wiederaufbauprozesses, denn er dient dazu, ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem die Entwicklung staatlicher Strukturen und die Arbeit ziviler Helfer sich überhaupt erst vollziehen kann. Ziel ist es, dass Afghanistan nicht wieder zum Rückzugsraum für internationale Terroristen wird, die auch unsere Sicherheit bedrohen.

Wir haben bei unserem Engagement in Afghanistan allerdings von Beginn an einen Ansatz verfolgt, der nicht alleine auf militärische Mittel setzt. Denn mit Militär alleine ist der Kampf gegen den Terrorismus nicht zu gewinnen. Es geht darum, das in Jahrzehnten des Krieges geschundene Land Afghanistan von Grund auf wieder aufzubauen und den Menschen dort wieder eine Lebensperspektive zu eröffnen. Aufgabe der Bundeswehr ist es, für den notwendigen Wiederaufbau ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem die Errichtung staatlicher Strukturen, der Aufbau der Infrastruktur von der Wasserversorgung über Straßen bis zu Schulen, der Aufbau einer funktionierenden Polizei und Armee usw. sich vollziehen kann.

Das langfristige Ziel unseres Engagements ist selbstverständlich, dass die Afghanen selbst ihr Schicksal wieder in die Hand nehmen und für die Sicherheit und den Bestand ihres Staates die Verantwortung übernehmen. Dafür ist aber z.B. eine funktionierende afghanische Polizei und Armee eine zwingende Voraussetzung. Genau an diesen Stellen muss angesetzt werden und deshalb engagiert sich Deutschland unter anderem genau in diesen beiden Bereichen. Es ist in den vergangenen Jahren gerade in diesen Feldern auch schon einiges erreicht worden.

Richtig ist auch, dass man die Ziele des Wiederaufbaus nicht zu hoch stecken sollte, sondern hinsichtlich des Erreichbaren realistisch bleiben muss. Aber ein Kulturrelativismus nach dem Motto "Demokratie und Menschenrechte entsprechen nicht dem afghanischen Naturell" ist auch unsinnig. Die erzielten Fortschritte z.B. bei Frauenrechten oder beim Zugang zu Bildung werden von der afghanischen Bevölkerung sehr hoch geschätzt, daran gibt es gar keinen Zweifel.

Allen Beteiligten ist klar, dass ein Abzug zum gegenwärtigen Zeitpunkt alle erzielten Erfolge in Frage stellen und das Land wieder in die Hände derer fallen würde, die es zu einem Rückzugsraum von Terroristen gemacht hatten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Struck