Frage an Peter Rzepka von Bernd S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rzepka,
mit Interesse habe ich Ihre Antwort auf die Frage von Frau Speer vom 21.10.2008 gelesen. Ich muss leider feststellen, dass Sie auf die Kernfrage von Frau Speer nicht geantwortet haben.
"Warum werden wir Conterganopfer anders behandelt als ein Contergangeschädigter in GB?"
Besser sollte man fragen,
"Warum werden wir Conterganopfer in Deutschland anders behandelt als ein Contergangeschädigte in GB, Schweden oder anderen Ländern in der EU?"
Ich würde mich freuen wenn Sie direkt auf diese Frage antworten könnten und nicht nur aus der Stellungsnahme der Fraktionvorsitzenden zitieren.
Diese Frage berührt meines Erachtens den Kern der Unzufriedenheit von uns Conterganopfern.
Hochachtungsvoll
Bernd Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre Frage hinsichtlich unterschiedlicher Entschädigungshöhen für Contergan-Opfer in Deutschland und Großbritannien.
1. Um die höchst unterschiedlichen Aussagen über die in anderen europäischen Staaten gewährten Entschädigungszahlungen einmal mit Fakten zu untermauern, habe ich Ihnen im Anhang eine aktuelle Übersicht aus dem Bundesfamilienministerium zur Verfügung gestellt. Daraus geht u. a. hervor, dass die maximal gezahlte Entschädigung in Großbritannien höher ausfällt als in Deutschland. Allerdings erhalten dort lediglich 14 Prozent der Betroffenen den Höchstsatz. In Deutschland sind es hingegen 62 Prozent. Außerdem sind die Fallzahlen in Großbritannien niedriger, so dass die insgesamt geleistete Entschädigungssumme deutlich niedriger ausfällt als bei uns. (siehe Anlage BMFSFJ_Contergangeschädigte)
2. Möglicherweise liegt ein Grund für die unterschiedliche Entschädigungshöhe auch in den verschieden ausgestalteten Privatrechtsordnungen beider Staaten begründet. So können im englischen Recht viel höhere Schadens- und Entschädigungssummen erstritten werden, als dies in Deutschland möglich ist. Sicherlich wird Ihnen der eine oder andere spektakuläre juristische Streitfall aus den Medien bekannt sein. Damit verbunden sind in der Regel weitaus höhere Rechtsverfolgungskosten als bei uns, die über oftmals vereinbarte Erfolgshonorare nicht den Geschädigten, sondern deren Rechtsbeiständen zugute kommen.
3. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten in Großbritannien im Jahre 2007 um ca. 20,8 Prozent über denen in Deutschland lagen (Quelle: Statistisches Bundesamt). Dann erscheint die unterschiedliche Entschädigungshöhe in einem anderen Licht.
4. Der Bundestag hat auf Antrag der Fraktionen von CDU, CSU, FDP und SPD im Dezember die Bundesregierung damit beauftragt, sich nochmals mit der Lebenssituation Contergangeschädigter zu befassen (s. u. Drs. 16/11223). Die Bundesregierung ist unter anderem gehalten, sich kontinuierlich für die Beseitigung von Erschwernissen bei der Gewährung von Leistungen einzusetzen und zu prüfen, ob eine automatische Dynamisierung der Renten erfolgen kann.
Außerdem soll die Bundesregierung nochmals prüfen, wie die Vernetzung von Betroffenen sowie die Beratung durch entsprechende Fachärzte und Fachpersonal am besten sichergestellt werden kann.
Nach Expertenmeinung haben wir mit der beschlossenen Erhöhung der Renten einen deutlichen Fortschritt für contergangeschädigte Menschen in Deutschland erreicht (s. u. Falk_Humme_Statement). Ich sage das in vollem Bewusstsein der Tatsache, dass das Geld keinen Ausgleich für erfahrenes Unglück leisten, sondern bestenfalls dessen Auswirkungen abmildern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Gez. Peter Rzepka