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Frage von petra p. •

Frage an Peter Pawlowski von petra p. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

werter herr pawlowski,

ganz herzlichen dank für ihre antwort vom 11.08.06. ich gebe ihnen recht in der ansicht, daß die mangelhafte beherrschung der deutschen sprache die chancen auf einen ausbildungsplatz verringert. und ich gebe ihnen auch recht darin, daß diese mangelhafte sprachkompetenz bei jugendlichen (auch deutschen) desöfteren anzutreffen ist. nicht zustimmen kann ich ihnen aber darin, daß dies die hauptursache der schlechten versorgung jugendlicher mit ausbildungsplätzen und später mit arbeitsplätzen ist. es ist vielmehr die umstrukturierung auf dem ausbildungs- und arbeitsmarkt deutschlands, der berlin im besonderen trifft, welches zu einer verstärkten selektierung nach merkmalen wie herkunft o.ä. führt bei der vergabe. ich würde ihnen studien bspw. des dji münchen und des bibb bonn zum thema empfehlen, die sich seit langem mit dieser thematik beschäftigen.
somit ist die förderung der deutschen sprache keine unbedingt schlechte angelegenheit. die mittel, die sie beschreiben, finde ich ebenso unterstützenswert. aber sie dringt nicht zum kern der problematik vor. die zielrichtung sollte es viel eher sein, den jugendlichen eine halbwegs gesicherte zukunft zu schaffen, insbesondere die berufliche. will heißen: ausbildungsplätze und existenzsichernde arbeitsplätze braucht berlin, ganz platt und direkt gesagt. dann hätten jugendliche auch eine stärkere motivation, sich in der schule anzustrengen. so wissen sie schon jetzt, daß sie ohnehin kaum eine chance haben, ob nun mit guten schulergebnissen und deutschkenntnissen oder ohne diese. am augenscheinlichsten ist dies naturgemäß bei schulabgängern der hauptschulen, insbesondere aus sogenannten problembezirken. aber es betrifft längst auch schulabgänger der mittleren reife, realschule oder auch abiturienten. die zahlen der versorgung mit ausbildungsplätzen an migrantenkinder sind seit jahren rückläufig und mittlerweile alarmierend.
welche konzepte haben sie, um dies zu ändern, ganz konkret?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Purschke,

vielen Dank für Ihre Email. Ich bitte Sie, meine verspätete Antwort zu entschuldigen.

Sie haben aus meiner Sicht in Ihrer Email einen sehr wichtigen Aspekt angesprochen- die Perspektivlosigkeit, vor der viele junge Menschen in Berlin (insbesondere Immigranten) stehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit unseres Bildungssystems.

Selbstverständlich ist die Sprachförderung nur eine von vielen Maßnahmen, um die Chancen von jungen Einwanderern auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu verbessern.
Es ist jedoch eine sehr wichtige Maßnahme, denn oft scheitern ausländische Bewerber (egal ob es sich um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz handelt) an der Sprachbarriere. Ein weiterer Grund ist die mangelhafte Qualifikation. Deshalb setzt sich die FDP – und das ist eine weitere Maßnahme, um das Problem in Griff zu bekommen- für die Liberalisierung des Schulsystems. Konkret heißt das: mehr Freiheit für die Schulen- Schulen müssen selbst über das Personal und ihre Finanzen entscheiden. Mehr Schulen in freier Trägerschaft- das garantiert die Vielfalt des Schulangebotes, denn Kinder sind unterschiedlich begabt. Das Ziel muss es also sein, diese Begabung so früh wie möglich zu erkennen und zu fördern.
Freie Schulwahl für die Eltern-Eltern müssen selbst entscheiden können, welche Schule ihre Kinder(gilt bereits für die Grundschulen)besuchen sollen.

Warum aber bekommen Einwanderer trotz sehr guter Deutschkenntnis und guter Ausbildung keinen Arbeitsplatz (so wie in dem Artikel im „Tagesspiegel“ geschildert wurde, den Sie mir freundlicherweise zugeschickt haben)?

An solchen Beispielen werden die Fehler des deutschen Förderungssystems und der Ausländerpolitik deutlich.
Bereits zur Zeit der Rot-Grünen Koalition hat die Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag einen Gesetzesentwurf eingebracht, dessen Ziel war, allen Ausländern, die sich legal in Deutschland aufhalten (also auch den Asylbewerbern) uneingeschränkte Arbeitserlaubnis zu erteilen.
Die Entrüstung aller (!) Fraktionen und der Gewerkschaften war groß. „Auf diese Weise werden Ausländer den Deutschen die Arbeitsplätze weg nehmen“ ließen die sonst so ausländerfreundlichen Gewerkschaften verlauten. Dabei wollte die FDP nichts anders, als Menschen, die ohnehin in Deutschland leben, die Chance geben, von eigener Arbeit und nicht von der Sozialhilfe leben zu können. Das Gesetz wurde natürlich abgelehnt.

Auch im Bereich des Aufenthaltrechts besteht ein dringender Handlungsbedarf. Viele Tausende Einwanderer werden in Deutschland nur „geduldet“. Und das obwohl sie seit Jahrzehnten in Deutschland leben. „Duldung“ bedeutet nichts anders, als dass sie jeden Tag abgeschoben werden können. Zu welchen Absurditäten das führen kann, haben wir in Berlin vor einigen Monaten erlebt, als eine Familie (trotz lauter Proteste der FDP und der Grünen) nach 20 (!) Jahren abgeschoben wurde.

Falsche Ausrichtung der Sozialpolitik. Es ist tatsächlich so, dass es viel einfacher ist, Sozialhilfe zu bekommen, als finanzielle Hilfe für Bildungsmaßnahmen. Die Bafög-Regelung, die ausländische Studierende ausschließt (das habe ich an eigenem Leibe erlebt) ist nicht nur diskriminierend, sondern völlig antiquiert. Sie hängt natürlich mit dem feudal organisierten Hochschulsystem in Deutschland zusammen, in dem nicht Studenten und Hochschulen, sondern Behörden den Ton angeben. Einige Ausführungen dazu können Sie in meiner Antwort an Herrn Mörschke zum Thema Hochschulpolitik nachlesen.

Ein weiterer Komplex, den Sie – auch zur Recht- angesprochen haben, ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt.
Ich teile ausdrücklich Ihre Meinung, dass die geringfügigen Chancen, in Berlin einen Arbeitsplatz zu bekommen, sich demotivierend auf die jungen Menschen auswirken. Dies gilt übrigens nicht nur für die Real- und Hauptschüler, sondern auch für Gymnasiasten. Akademischer Abschluß garantiert in Berlin schon lange keinen sicheren und gut bezahlten Job mehr. Das ist das Fatale an der Situation Berlins.
Das Fehlen einer beruflichen Perspektive nach dem Studium, bringt viele Menschen davon ab, akademische Ausbildung anzustreben. Betroffen sind vor allem junge Menschen aus den sozialschwachen Familien (Ausländer und Deutsche).
Hier hilft nur eine vernünftige Wirtschaftspolitik, die leider in Berlin seit Jahrzehnten (!!!) fehlt. Wir brauchen dringend neue Arbeitsplätze, und zwar nicht nur im Dienstleistungsbereich, sondern im produzierenden Gewerbe und der Industrie. Aus diesem Grund fordert die Landes-FDP eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik in Berlin. Investorenfreundlicher soll sie werden. Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden und Berlin muss aktiv um Investoren werben.
Natürlich werden diese Maßnahmen nicht dazu führen, dass sich die Situation von heute auf morgen verbessert. Sie garantieren jedoch langfristig eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Bundespolitik. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, Versicherungsteuer, zusätzliche Abgaben für den wasserkopfartigen Gesundheitsfund sind fatale Entscheidungen der jetzigen Bundesregierung, die sich sehr schnall auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt negativ auswirken werden. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und staatlich subventionierte Arbeitsplätze helfen hier gar nicht. Deshalb lehnen wir das aktuelle Regierungsprogramm kategorisch ab.

Sehr geehrte Frau Purschke,

ich kann es mir vorstellen, dass ich viele von Ihren Fragen nicht ganz zur Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte. Ihre Fragen sind auch sehr komplexer Natur. Ich hoffe, jedoch, dass Sie zumindest eine wage Vorstellung über meine Positionen zu den von Ihnen angesprochenen Themen gewinnen konnten.

Ich wünsche Ihnen Alles Gute und verbleibe

mit besten Grüßen

Peter Pawlowski