Frage an Peter Neuhaus von Henrik W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Neuhaus,
erläutern Sie mir bitte kurz Ihre Position gegenüber dem Bedingungslosen Grundeinkommen, das seit einigen Jahren in der deutschen Öffentlichkeit – und auch in den im Bundestag vertretenen Parteien – diskutiert wird (auf der Website Ihrer Partei bin ich dazu leider nicht fündig geworden).
Die Piratenpartei z.B. möchte das Thema innerhalb einer dafür eingerichteten Enquete-Kommission behandeln und über die dort ausgearbeiteten Konzepte Deutschlands Bürger via Volksabstimmung abstimmen lassen (siehe auch die derzeit erfolgreiche Schweizer Volksinitiative »Für ein bedingungsloses Grundeinkommen«).
Was ist Ihre Meinung dazu?
PS: Auf der Website www.grundeinkommen-ist-waehlbar.de können sich auch Direktkandidaten Ihrer Partei eintragen.
Mit freundlichen Grüßen
Henrik Wittenberg
Sehr geehrter Herr Wittenberg,
ich bin ein großer Freund der Grundeinkommensidee und wir haben uns auf Kreisverbandsebene schon mehrfach damit auseinandergesetzt und darüber diskutiert, u.a. mit Wolfgang Kessler, dem Herausgeber der Zeitschrift Publik Forum:
http://gruene-siegen-wittgenstein.de/pressemitteilungen/aktuelles/nachricht/grundeinkommen-und-oeko-bonus-als-schritte-auf-dem-weg-zu-mehr-gerechtigkeit-und-nachhaltigkeit.html, aber auch mit Wolfgang Belitz, dem Sozialpfarrer der ev. Kirche in Westfalen, oder zuletzt in Kreuztal mit Sven Lehman, dem Vorsitzenden der nrw Grünen. Auch das Grüne Netzwerk zum Grundeinkommen ist hier zu nennen: http://gruenes-grundeinkommen.de/
Das Faszinierende an der Idee ist zum einen, dass der Zwang zur Erwerbsarbeit aufgelöst würde und Menschen ihre Kreativität frei entfalten und dabei wertvolle Beiträge zur Gesellschaft leisten können, die sie als Erwerbstätige aus Zeitmangel nicht leisten können. Und zum anderen würde durch ein angemessenes Grundeinkommen die ungeheure Sozialleistungsmaschinerie überflüssig, niemand wäre etwa mehr gezwungen, Sozialhilfe oder Hartz IV zu beantragen, da eine Grundfinanzierung der eigenen Existenz qua Grundeinkommen gesichert wäre, das jedem qua Geburt zustünde. Beides wäre ein enormer Gewinn für eine humane, auf Sozialkontrolle verzichtende, lebendige Zivilgesellschaft. Die Finanzierung eines angemessenen Grundeinkommens scheint durchaus möglich, über die Modelle ließe sich debattieren, mir persönlich scheint das der negativen Einkommenssteuer am interessantesten.
Es gibt m.E. zwei ernstzunnehmende Einwände gegen die Grundeinkommensidee, der erste zielt auf die gesellschaftliche Akzeptanz einer Leistung, die bedingungslos erbracht wird, aber von Menschen finanziert werden muss, die arbeiten und Steuern zahlen, und zum anderen der, wie Menschen dazu bewogen werden können, mit ihrem Grundeinkommen nicht einfach auf dem Sofa sitzen zu bleiben und einzuschlafen, die also so etwas wie einen "ökonomischen Zwang" brauchen, um eine gesellschaftlich relevante Leistung zu erbringen (das ist sozusagen die konservative Kritik an dem Modell). Zudem wird darauf zu achten sein, dass sich Staat und Gesellschaft nicht aus der Verantwortung für die Menschen verabschieden, die etwa einer "normalen Arbeit" nachgehen wollen, aber keine finden (sozusagen die linke Kritik am Grundeinkommen).
Aber niemand behauptet ja, dass schon alle Fragen geklärt sind, sondern dass es sich hier um ein faszinierendes alternatives, mit einem hohen Emanzipationspotential ausgestattetes Modell handelt, von dem ich mir wünsche, dass es auch von Grünen intensiv beraten und nach vorn gebracht wird. Sollten Sie auf Kreisebene daran mitarbeiten wollen, melden Sie sich bei mir unter jup.neuhaus@gmx.de.
Viele Grüße,
Peter Neuhaus